Washington und Teheran: Gemeinsame Interessen trotz tiefer Feindschaft

Iran's President Hassan Rouhani attends a news conference at a hotel after the fourth CICA summit, in Shanghai
Iran's President Hassan Rouhani attends a news conference at a hotel after the fourth CICA summit, in ShanghaiReuters
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Vom Kampf gegen die Taliban und den IS bis zur Eindämmung des russischen Einflusses im Nahen Osten: Die USA und der Iran sind sich in vielem näher, als sie zugeben würden.

Washington. Ehe die Islamische Revolution dem fröhlichen Treiben ein Ende machte, ging es in der iranischen US-Botschaft an der Washingtoner Adresse 3005 Massachusetts Avenue NW ordentlich rund: bei Belugakaviar, Champagner und – glaubt man den Memoiren der Schauspielerin Elizabeth Taylor – illegalen Rauschmitteln feierten Diplomaten, Politiker, Künstler und Adabeis in den 1960er- und 1970er-Jahren keine 500 Meter von der Residenz des US-Vizepräsidenten rauschende Partys. Taylor musste wissen, wovon sie schrieb: schließlich sorgte sie als Geliebte des damaligen iranischen Botschafters für Schlagzeilen.

Seit April 1980 sind die Tore des bombastischen 1950er-Jahre-Baus geschlossen. Er veranschaulicht gemeinsam mit der US-Botschaft in Teheran, das vom Regime zum antiamerikanischen Museum umgebaut wurde, die Feindseligkeit zwischen den beiden Staaten. „Antiamerikanismus ist tief im ideologischen Gewebe der Islamischen Republik. Der Iran ist die letzte Bastion einer Art antiimperialistischer Dritte-Welt-Ideologie, die einst außerhalb des Westens allgegenwärtig war“, schreibt Vali Nasr, der iranischstämmige Dekan der School of Advanced International Studies an der Johns Hopkins University in Washington, in seinem Buch „The Dispensable Nation“.

Iran half US-Truppen in Afghanistan

Reale Interessen haben allerdings schon oft bei der Überbrückung weltanschaulicher Gräben geholfen. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen dem „Großen Satan“ und der Nabe in der „Achse des Bösen“. Washington und Teheran haben zumindest drei gemeinsame strategische Ziele im Nahen Osten und in Zentralasien.

Erstens wollen beide ein stabiles Afghanistan – und somit ein Afghanistan, in dem die radikalen, sunnitischen Kämpfer der Taliban nichts zu sagen haben. Schon einmal haben Washington und Teheran in Afghanistan zusammengearbeitet – ganz offen sogar. Nach dem Einmarsch der US-Truppen im Herbst 2001 halfen iranische Diplomaten und Teile der Revolutionsgarden dabei, die afghanische Nordallianz zusammenzuführen, erinnert Nasr. Ehe der damalige US-Präsident George W. Bush den Iran 2002 auf der „Achse des Bösen“ platzierte, stellten die Iraner Flugbasen für den Luftkrieg gegen die Taliban bereit, halfen bei der Suche nach abgestürzten US-Piloten und unterstützten das westliche Militärbündnis bei der Jagd auf al-Qaida-Führer. Bei der Bonner Konferenz, auf der die politische Zukunft Afghanistans festgelegt wurde, brach der damalige iranische UNO-Botschafter (und heutige Außenminister) Mohammad Javad Zarif in der heiklen Frage, wer welche Ministerien in der neuen Regierung bekommen sollte, die Blockadehaltung der afghanischen Gesandtschaft.

Gemeinsam gegen die IS-Kämpfer

Zweitens eint die USA und den Iran das strategische Interesse, den Vormarsch der sunnitischen IS-Kämpfer in Syrien und im Irak einzudämmen. „Angesichts der Gewinne des IS, die zu einer faktischen Spaltung des Landes zu führen drohen, könnte der iranische Einfluss beschränkter sein als in den vergangenen Jahren“, argumentiert die Nahostexpertin Dalia Dassa Kaye von der Rand Corporation in einem Essay für das „Foreign Affairs“-Magazin. Der Iran würde bei einer Spaltung des Irak nämlich bestenfalls den schiitischen Süden des Landes kontrollieren – und das um einen hohen Preis: Wenn die IS-Kämpfer strategische Öl-, Gas- und Elektrizitätsanlagen im Irak erobern sollten, könnten sie die Energieversorgung Bagdads kappen. „Der Iran könnte einen Teil dieses Ausfalls abdecken“, schreibt Kaye, „aber iranisches Öl und Gas sind hoch subventioniert und knapp. Das würde die iranische Wirtschaft zu einem Zeitpunkt zusätzlich belasten, zu dem die schwierige innenpolitische Lage jenen Druck erzeugt hat, der den Iran überhaupt erst an den Verhandlungstisch mit dem Westen gebracht hat.“

Drittens haben die USA und der Iran ein Interesse daran, Russlands Einfluss einzudämmen: von Zentralasien bis an die Mittelmeerküste. Der Schlüssel dafür ist Energie. Der Iran will seine fossilen Brennstoffe nach Europa verkaufen, Russland ebendies verhindern. Russlands Präsident Wladimir Putin hat diesen Widerspruch bisher umschifft: 2011 bot er bei einem Besuch in Teheran Unterstützung gegen die US-geführte Sanktionspolitik und Geld für eine Gaspipeline nach Pakistan an.

Hier stützt Washington paradoxerweise Putins Einfluss auf Europa, warnt Nasr: „Während des Kalten Krieges haben wir darauf hingearbeitet, Westeuropa davon abzuhalten, von russischer Energie abhängig zu werden. Jetzt scheinen wir dazu zu ermutigen, bloß um den Iran zu unterwerfen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2014)

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