Gaza: Die Zahl der Toten steigt weiter

Relatives of Palestinian members of Al-Batsh's family, who hospital officials said were killed in an Israeli air strike, mourn during their funeral in Gaza City
Relatives of Palestinian members of Al-Batsh's family, who hospital officials said were killed in an Israeli air strike, mourn during their funeral in Gaza CityREUTERS
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Erstmals hat Israel am Boden angegriffen. Die Armee forderte die Bewohner im nördlichen Gazastreifen zum Verlassen ihrer Häuser auf.

Fünf Tage nach Beginn der israelischen Luftangriffe gegen militante Palästinenser hat erstmals eine Kommandoeinheit am Boden eingegriffen. Die Aktion wird als mögliche Vorstufe einer größeren Bodenoffensive Israels gewertet. Die Zahl der Opfer steigt praktisch stündlich - auf zuletzt mindestens 166 Tote und 1120 Verletzte im Gazastreifen.

Die israelische Armee forderte Sonntag früh die Bewohner einer Ortschaft am Nordrand des Gazastreifens zur Flucht auf. Mit Flugblättern, SMS und automatisierten Anrufen warnten die Streitkräfte die Bewohner mehrerer Viertel von Beit Lahia, ihre Häuser bis zum Mittag zu verlassen und nach Süden zu fliehen. "Die Warnhinweise dienen dazu, die Zivilbevölkerung aufzufordern, sich zu ihrer eigenen Sicherheit von Aktivisten der Hamas und ihren Operationsbasen zu entfernen", teilte die Armee am Morgen mit.

Es war das erste Mal seit Beginn der Militäroffensive, dass die israelischen Streitkräfte einer Ortschaft ein Ultimatum zur Evakuierung stellten. "Die israelische Armee plant, dort die terroristische Infrastruktur zu zerstören. Diese Operation wird zeitlich begrenzt sein. Wer sich nicht an unsere Anweisungen hält, gefährdet sein Leben und das seiner Familie", erläuterte ein Armeesprecher weiter. Laut einem Bericht des Militärradios waren "Angriffe in bisher nicht gekanntem Ausmaß geplant", die sich gegen die Abschussrampen von Raketen mit größerer Reichweite richten sollten.

Keine Toten auf israelischer Seite

Kinder und Frauen sind die Leidtragenden der militärischen Auseinandersetzungen. Ein 14-Jähriger sei bei dem Beschuss des nördlichen Gazastreifens ums Leben gekommen, teilte der Sprecher der örtlichen Rettungsdienste, Ashraf al-Kidra, über Twitter mit. Auch eine 80-Jährige sei unter den Opfern. Der israelische Rundfunk meldete, in der Küstenstadt Ashkelon sei ein Jugendlicher von Raketentrümmern schwer verletzt worden.

Bei einem Luftangriff auf das Haus des Polizeikommandanten von Gaza waren zuvor am Samstagabend mindestens 18 Menschen getötet worden. Sie gehörten den Angaben zufolge zur Familie des Polizeichefs Tayseer Al-Batsh. Der Kommandant selbst wurde schwer verletzt. Auch eine benachbarte Moschee wurde bei dem Bombardement getroffen. Tote gab es auf israelischer Seite nicht.

Raketenangriffe am Morgen

Am Morgen gab es wieder Raketenangriffe militanter Palästinenser, unter anderem auf den internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv. Die Raketenabwehr fing die Geschoße ab, andere landeten auf unbewohntem Gebiet.

Zuvor hatten Eliteeinheiten der Marine unterstützt von Kampfflugzeugen den Norden des Gazastreifens angegriffen, wie ein Sprecher der Streitkräfte am frühen Sonntagmorgen sagte. Damit sollte der Abschuss von Langstreckenraketen verhindert werden. Vier der Soldaten seien bei einem Schusswechsel mit Hamas-Kämpfern verletzt worden.

Die Hamas konnte nach eigener Darstellung den israelischen Angriff zurückschlagen. Die Soldaten hätten nicht landen können. Die israelische Armee erklärte dagegen, die Einheiten hätten ihren Auftrag erfüllt.

Gespräche in Wien

Am Sonntag wollten die Außenminister Deutschlands, der USA, Großbritanniens und Frankreichs am Rand der Atomgespräche in Wien zusammentreffen, um Möglichkeiten für eine Waffenruhe zu erkunden. Montag und Dienstag wird der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu einer Vermittlungsinitiative im Nahen Osten erwartet, von Dienstag bis Donnerstag soll ihm die italienische Außenministerin Federica Mogherini folgen.

Die Arabische Liga berief für Montag eine Dringlichkeitssitzung in Kairo ein. Der UN-Sicherheitsrat in New York kommt ebenfalls am Montag zu einer weiteren Sondersitzung zusammen. Die 15 Mitglieder des höchsten UN-Gremiums hatten sich bereits am Samstag extrem besorgt über die Eskalation der Gewalt gezeigt und eine Waffenruhe gefordert.

Israel hatte am 8. Juli mit massiven Luftangriffen im Gazastreifen begonnen, um den Raketenbeschuss israelischer Orte durch militante Palästinenser zu unterbinden. Seit Beginn der Offensive bombardierte die Armee nach eigenen Angaben 1320 Ziele in der Mittelmeer-Enklave. Gleichzeitig gingen demnach mehr als 800 Raketen der Hamas auf israelischem Gebiet nieder, rund 140 davon seien von der Raketenabwehr in der Luft abgefangen worden, sagte Armeesprecher Peter Lerner.

(APA/dpa/Reuters/AFP)

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