Israel: Luftwaffe plant Großangriff

MIDEAST PALESTINIANS ISRAEL CONFLICT
MIDEAST PALESTINIANS ISRAEL CONFLICT(c) APA/EPA/OLIVER WEIKEN (OLIVER WEIKEN)
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Flugblätter fordern Menschen im Norden des Gazastreifens auf, ihre Häuser zu verlassen. Internationale Vermittler treten auf der Stelle.

Jerusalem. Die israelische Luftwaffe plant offenbar einen Großangriff auf den Norden des Gazastreifens. Mit Flugblättern, über die Medien und mit Telefonanrufen forderte die Armee die Bevölkerung aus den beiden Ortschaften Beit Lahia und Beit Chanun im nördlichen Gazastreifen dazu auf, ihre Wohnungen zu verlassen. Hunderte Palästinenser leisteten den Warnungen Folge und suchten Unterschlupf in UN-Einrichtungen. Die Hamas hatte zuvor appelliert, in den Häusern zu bleiben, da eine Flucht als Kapitulation gedeutet werden könne. Bis gestern Mittag zählten die Krankenhäuser knapp 180Todesfälle, darunter zahlreiche Minderjährige. In der Nacht gab es den ersten begrenzten Bodeneinsatz von Marinesoldaten, die den Auftrag hatten, Raketenabschussrampen zu zerstören. Vier Soldaten wurden bei Gefechten leicht verletzt.

Knapp eine Woche nach Beginn von Israels Operation Schützende Klippe fehlt beiden Konfliktseiten die Exitstrategie, ein Weg, die Eskalation zu beenden. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zögert trotz der massiven Raketenangriffe der Hamas in der Nacht zum Sonntag, mit einer großangelegten Bodenoffensive zu antworten. Auch die Hamas-Führung signalisiert Bereitschaft zu Verhandlungen, wobei sie hohe Forderungen stellt. Israel müsse die Hamas-Aktivisten entlassen, die während der Suche nach den drei Mitte Juni entführten und später ermordeten israelischen Teenagern verhaftet wurden. Netanjahu wiederum geht es um einen garantiert langfristigen Waffenstillstand.

Problematisch bei der Lösungssuche ist zudem der Mangel an Vermittlern. Vor knapp zwei Jahren konnten die USA und Ägypten eine Eskalation aufhalten. Michael Herzog, israelischer Brigadegeneral (a.D.) und ehemaliger Verhandlungsdelegierter glaubt, dass „Kairo aufgrund der internen Herausforderungen davor zurückschreckt, eine Rolle als Vermittler zu spielen“. Zudem sei das Verhältnis zwischen Kairo und Gaza derzeit stark belastet. Stattdessen hätten Frankreich, Großbritannien und Deutschland ihre Hilfe angeboten. Tony Blair, Chef des sogenannten Nahost-Quartetts (USA, UN, EU und Russland), reiste bereits am Samstag nach Kairo. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird heute in der Region erwartet. „Ohne effektiven Vermittlungsmechanismus“, so vermutet Herzog, „wird der Konflikt weiter andauern.“

Kriegsführung auch im Internet

Parallel zu Raketenbeschuss und Luftangriffen werden Fernsehen und Internet zunehmend zur Waffe der psychologischen Kriegsführung. Eine SMS, die angeblich vom inländischen Nachrichtendienst Shin Beth stammte, warnte gestern vor einem „Selbstmordattentäter in Tel Aviv“. Der größte Renner ist derzeit ein Video aus den Filmstudios im Gazastreifen. Zu flotten Orchesterklängen singt ein Männerchor auf Hebräisch: „Hopp, mach einen Terroranschlag“ und „vernichte alle Zionisten“. In dem Film schleichen sich Hamaskämpfer mit Raketen unter dem Arm zu den Abschussrampen, zusammengeschnitten mit den Bildern von Israelis auf der Flucht. Israelische Facebook-Nutzer witzeln über das fehlerhafte Hebräisch und den breiten arabischen Akzent in dem Propaganda-Spot.

„Wir sind zurück“, postete Avi Lan von der israelischen Facebook-Seite „Twitter-Status“ gegen Mitternacht, als die Seite wieder im Internet erschien. Zeitgleich zur Raketenangriffswelle am Samstagabend hatten Hacker im Auftrag der Hamas die in Israel populäre Facebook-Seite geknackt und mit Propaganda bestückt. Die Einträge auf der wiederhergestellten Seite sind witzig bis böse. „Klopf-klopf“, heißt es in einer Bilderserie, die zuerst ein Wohnhaus zeigt und im letzten Bild, wie es von einer Bombe zerstört wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2014)

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