Slowenien-Wahl: Kein Stein bleibt auf dem anderen

Miro Cerar
Miro Cerar(c) REUTERS (SRDJAN ZIVULOVIC)
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Wahlsieger und Polit-Neuling Miro Cerar verspricht eine Veränderung der politischen Kultur. Der inhaftierte Ex-Premiers Jansa bezeichnet die Wahl als "weder frei noch fair".

Ein politischer Neuling hat am Sonntag einen Erdrutschsieg bei der slowenischen Parlamentswahl erzielt. Der Rechtsprofessor Miro Cerar kam mit seiner erst Anfang Juni gegründeten Partei auf 34,6 Prozent der Stimmen. Er versprach den Slowenen einen politischen Neuanfang nach zahlreichen Korruptionsaffären.

Im Euro-Krisenstaat, der in den vergangenen drei Jahren drei Regierungen verschlissen hatte, traf der Verfassungsrechtler damit einen Nerv. Seine "Partei von Miro Cerar" (SMC) setzte sich überraschend klar gegen die konservative Demokratische Partei (SDS) des inhaftierten Ex-Premiers Janez Jansa durch, die auf 20,7 Prozent kam. Die Partei hatte auf einen Solidarisierungseffekt mit Jansa gehofft, der sich als politischer Häftling sieht.

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Politischer Neubeginn

Abseits vom Erfolg Cerars wurde die politische Landschaft Sloweniens gehörig durchgewirbelt. Die bei den Parlamentswahlen 2011 siegreiche Linkspartei "Positives Slowenien" (PS) des Laibacher Bürgermeisters Zoran Jankovic flog ebenso wie die Bürgerliste (DL) aus dem Parlament, während das Schicksal der ältesten slowenischen Partei, der konservativen Volkspartei (SLS), an einem seidenen Faden hängt. Sie muss auf die Auszählung der Auslandsstimmen hoffen, um möglicherweise doch noch über die Vier-Prozent-Hürde zu kommen.

Dagegen schaffte das neue Bündnis der scheidenden Regierungschefin Alenka Bratusek (ZAB) einen Achtungserfolg und zieht mit vier Abgeordneten ins Parlament ein. Bratusek war Ende April von Jankovic als PS-Chefin entmachtet worden, was zum Sturz der Regierung und vorgezogenen Parlamentswahlen führte.

Deutlich Federn lassen mussten die Sozialdemokraten (SD), die von zehn auf 5,95 Prozent der Stimmen abstürzten. Sie wurden von der Demokratischen Pensionistenpartei DeSUS (10,2 Prozent) sowie der neugegründeten Vereinigten Linken ZL (5,97 Prozent) überholt.

In welche Richtung bewegt sich Cerar?

Unklar ist, welche Regierung Cerar bilden wird. Beobachter sagen ihm eine Präferenz für eine lagerübergreifende Koalition nach, für die er die christdemokratische NSi und das Bündnis Bratuseks ins Boot holen könnte. Am Wahlabend wollte sich der Sieger diesbezüglich nicht in die Karten blicken lassen, so wie er auch inhaltlich weiter unbestimmt blieb.

Gesellschaftspolitisch konservativ, gibt sich Cerar in wirtschaftspolitischen Fragen eher links. Er lehnt einen Jobabbau im staatlichen Sektor ab und will auch die Privatisierung von Staatsunternehmen auf den Prüfstand stellen. So will er den von der scheidenden Regierung eingeleiteten Verkauf des früheren Monopolisten Telekom Slovenije stoppen. "Wir sind gegen die Privatisierung einiger Schlüsselunternehmen im Staatsbesitz, die eine strategische Bedeutung für die Infrastruktur haben", sagte er gegenüber der Austria Presse Agentur (APA).

Ex-Premier in Haft: "Wahl nicht fair"

Ganz oben auf der Prioritätenliste steht für Cerar der Kampf gegen die Korruption und die Stärkung des Rechtsstaates. Daher hat er auch Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit mit der Slowenischen Demokratischen Partei (SDS) Jansas. Diese ist aber an einer Koalition mit Cerar, den sie wegen der Umstände seines Wahlsieges mit dem weißrussischen Premier Alexander Lukaschenko verglich, ohnehin nicht interessiert.

Jansas SDS bezeichnete die Wahl nämlich als illegitim und kündigte einen Parlamentsboykott an. Die Wahl sei "weder frei noch fair" gewesen, weil der Oppositionsführer in der Wahlkampagne "physisch eliminiert" worden sei. Daher werden die SDS-Abgeordneten im künftigen Parlament keine Funktionen annehmen. Somit ist ungewiss, ob Cerars Wahltriumph dem Land tatsächlich Stabilität bringen wird. Beobachter schließen nicht aus, dass es schon im nächsten Jahr wieder Neuwahlen geben könnte.

Erste positive Trends

Das frühere EU-Musterland Slowenien befindet sich seit 2008 in einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise. Wegen milliardenschwerer Außenstände bei staatlichen Banken wurde das Land im Jahr 2012 zum Kandidaten für den Euro-Rettungsschirm. Nach dem korruptionsbedingten Sturz der Kurzzeit-Regierung von Jansa Anfang 2013 konnte die neue linksliberale Regierungschefin Bratusek das Land mit einer strikten Spar-, Reform- und Privatisierungspolitik vor einem EU-Hilfsantrag bewahren. Heuer zeigten sich erstmals wieder positive Tendenzen bei den Staatseinnahmen, dem Wirtschaftswachstum und den Arbeitslosenzahlen.

(APA)

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