Hamas: Bedingungen für Feuerpause

MIDEAST PALESTINIANS ISRAEL CONFLICT
MIDEAST PALESTINIANS ISRAEL CONFLICT(c) APA/EPA/ALAA BADARNEH (ALAA BADARNEH)
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Nach der gescheiterten Waffenruhe droht Israel erneut mit einer Bodenoffensive. Die Islamisten lehnen nun offiziell den ägyptischen Plan zu einer Feuerpause ab.

Jerusalem. „Verlasst eure Häuser“ steht auf Flugblättern, mit denen die israelische Armee im Gazastreifen ihre Luftangriffe ankündigt. Nach dem gescheiterten Waffenstillstand intensiviert nun die Luftwaffe ihre Attacken auf den nördlichen Gazastreifen. Die Regierung drohte am Mittwoch erneut mit einer Bodenoffensive.

Nach Auskunft eines UN-Sprechers sind derzeit 20.000 Menschen auf der Flucht, die in insgesamt 24 Schulen, zum Teil in der Stadt Gaza und im Flüchtlingslager von Jabalia, notdürftig untergebracht wurden. In der Nacht zum Mittwoch sei es am schlimmsten gewesen, schimpft Isra Almodalal, ehemals Sprecherin der Hamas im Gazastreifen. „Jeden Tag sterben weitere Menschen, und die humanitäre Krise nimmt zu.“

213 palästinensische Tote und mehr als 1500 Verletzte lautet die vorläufige Bilanz der Kampfhandlungen – darunter sind zahlreiche Kinder. Auch in Israel gab es am Dienstag einen ersten Toten. Der 37-jährige Zivilist hatte Soldaten am Erez-Übergang Lunchpakete bringen wollen, als eine Mörsergranate auf die Grenzanlage abgefeuert wurde.

„Linke Weichheit“ Netanjahus

Die radikale Hamas lehnte indes die von Ägypten vorgeschlagene Waffenruhe offiziell ab. Dies sei das Ergebnis interner Beratungen der Organisation, sagte ein Sprecher der Islamisten am Mittwoch. Demnach wurde auch die ägyptische Regierung offiziell informiert.

Der bewaffnete Arm der Organisation hatte die Feuerpause bereits am Dienstag abgelehnt. Israels Regierungschef, Benjamin Netanjahu, hingegen hatte zunächst dem Waffenstillstandsplan zugestimmt, was ihm nun harsche Kritik im eigenen Lager einbrachte. Vize-Verteidigungsminister Danni Danon verurteilte Netanjahus „Zögern bei der Militäroperation“ und warf ihm „linke Weichheit“ vor. Der Premier feuerte Danon daraufhin. Als einen „tragischen Helden“ bezeichnete der politische Analyst Jossi Verter in „Haaretz“ den Premier. Er verhalte sich „in direktem Gegensatz zu den Interessen seiner rechten Wähler“. Überraschend versöhnlich gab sich hingegen Ex-Mossad-Chef Efraim Halevy gegenüber CNN. Angesichts radikalerer Kräfte, „die nach dem Gazastreifen greifen“, sprach sich Halevy für ein Ende des diplomatischen Boykotts gegen die Hamas aus.

Hamas und der Islamische Jihad in Gaza schickten unterdessen eine Liste mit ihren eigenen Bedingungen für einen Waffenstillstand nach Kairo. Offenbar fordert die Hamas den Rückzug der israelischen Panzerbrigaden, die im Umfeld vom Gazastreifen stationiert sind. Außerdem wird die Freilassung von sämtlichen inhaftierten Islamisten verlangt.

Die für die Menschen in Gaza wichtigste Bedingung ist aber die Öffnung der Grenzen. In beide Richtungen, nach Israel und Ägypten, ist eine Ausreise nur mit Sondergenehmigungen, nach mühsamen bürokratischen Abläufen und langen Wartezeiten möglich. Israel ermöglicht zwar den Import von Produkten nach Gaza. Für eine wirtschaftliche Stabilisierung des Gazastreifens wäre jedoch nötig, die Grenzen auch für den Warentransport in die andere Richtung, nach Israel und von dort aus weiter ins Westjordanland oder ins Ausland, zu öffnen.

Islamisten wollen Flughafen

Problematisch ist, dass sich die Hamas und Israel gegenseitig boykottieren, deshalb finden nur indirekte Absprachen statt. Um Israel zu umgehen, wären ein Schiffs- und ein Flughafen nötig – ein vierter Punkt auf der Forderungsliste der Hamas, der illusorisch sein dürfte. Außerdem verlangen die Islamisten das Recht für die Palästinenser aus Gaza, die al-Aksa-Moschee in Jerusalem besuchen zu dürfen.

„Israel braucht den Waffenstillstand dringend“, spekuliert Hamas-Funktionärin Almodalal – sonst hätte Netanjahu ja „nicht so schnell klein beigegeben“. Sie räumte allerdings ein, dass die ägyptischen Vermittler sich nicht direkt mit ihrem Kompromissvorschlag an die Hamas gewandt hätten. „Kairo hat derzeit keinen Kontakt zu uns – wohl aber zum Islamischen Jihad, der das Angebot zur Feuerpause auch erhielt.“

Nach Berichten der liberalen israelischen Tageszeitung „Haaretz“ sei man in Kairo davon ausgegangen, dass „wenn Israel der Feuerpause zustimmt, die Hamas keine Wahl haben wird – sie wird dann auch positiv reagieren“. Doch genau das Gegenteil war der Fall.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2014)

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