Obama erhebt schwere Vorwürfe gegen Russland

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Flug MH17: Der US-Präsident macht Moskau für die Tragödie in der Ostukraine mitverantwortlich. Kiew hat unterdessen den Westen zu Waffenlieferungen aufgefordert.

Am Tag nach dem Abschuss eines malaysischen Passagierflugzeugs mit 298 Todesopfern über der Ostukraine erhob US-Präsident Barack Obama schwere Vorwürfe gegen Russland. Moskau habe "immer wieder" verabsäumt, die erforderlichen Schritte zur Deeskalation der Lage in der Ostukraine zu setzen, so Obama. Die Separatisten seien ständig aus Russland mit schweren Waffen, darunter auch Luftabwehrgeräten, versorgt worden. Wenn der russische Präsident Wladimir Putin den Zustrom von Waffen und Kämpfern in die Ostukraine untersage, werde die Gewalt dort aufhören. Die USA seien in der Lage, ihre Sanktionen gegen Russland zu verschärfen, unterstrich der Präsident. Den Flugzeugabsturz bezeichnete er als eine "Schandtat unaussprechlichen Ausmaßes". Die USA "werden sicherstellen, dass die Wahrheit ans Licht kommt". Der US-Präsident forderte eine "glaubwürdige internationale Untersuchung" und bot an, Experten der Bundespolizei FBI und der Luftsicherheitsbehörde NTSB in die Region zu schicken. OSZE-Beobachter sind bereits in der Region, allerdings beklagen sie, dass sie von Absturzstelle ferngehalten werden.

Schwere Gefechte in der Ostukraine

Obama rief Russland, die Separatisten und die Ukraine zu einer sofortigen Waffenruhe in der Region auf. Davon ist man in der Ostukraine allerdings weit entfernt: In der Region Luhansk lieferten sich militante Gruppen und Regierungseinheiten am Freitag weiter schwere Gefechte. Dabei kamen laut ukrainischen Behördenangaben auch zahlreiche Zivilisten ums Leben.

Obama sagte in seiner Rede, die Rakete auf Flug MH17 sei aus einem von Separatisten kontrollierten Gebiet abgefeuert worden. Noch deutlicher äußerten sich die US-Geheimdienste in einem vorläufigen Bericht, aus dem der Fernsehsender CNN zitierte. Demnach sei die Boeing 777 höchstwahrscheinlich von pro-russischen Separatisten abgeschossen worden.

Separatisten: Gesprächsmitschnitt ist Fälschung

Die Regierung in Kiew hat zudem den angeblichen Mitschnitt eines Gesprächs, das die Aufständischen als Urheber des Abschusses überführen soll, veröffentlicht. Die Separatisten bezeichneten die Aufzeichnung am Freitag als Fälschung. Sie sei "grob montiert" worden, so Oleg Zarjow von der "Volkswehr". In einigen Passagen sei es um einen Kampfjet und nicht um das Passagierflugzeug gegangen.

Moskau hat bei einer Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats einmal mehr die Verantwortung für den Absturz zurückgewiesen: Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin machte die Regierung in Kiew verantwortlich. Grund für die Eskalation sei die Offensive der ukrainischen Armee gegen die Separatisten. Außerdem warf er der ukrainischen Regierung vor, zivile Flugzeuge über dem Kampfgebiet erlaubt zu haben: "Heute hat Kiew den Luftraum vollständig gesperrt. Warum konnten sie das nicht früher machen und nicht darauf warten, dass es hunderte Opfer gibt?"

Kiew will Waffen vom Westen

Der ukrainische Parlamentspräsident Alexander Turtschinow hat unterdessen den Westen zu Waffenlieferungen aufgefordert. Die internationale Gemeinschaft müsse die prowestliche Führung im Kampf gegen die "Terroristen" stärker unterstützen. Mit Präzisionswaffen könnte das Kriegsgerät der Aufständischen binnen Tagen zerstört werden. "Sie hätten auch den Absturz der Boeing verhindert", sagte Turtschinow.

Die ukrainische Regierung und die prorussischen Separatisten beziehungsweise Moskau hatten sich sofort nach dem Absturz der Maschine gegenseitig beschuldigt, für den Abschuss verantwortlich zu sein.

Ukraine: "Russen sind zu weit gegangen"

"Die Russen sind zu weit gegangen", sagte der ukrainische Premier Arseni Jazenjuk laut der Nachrichtenagentur Interfax Ukraine. Jazenjuk will die Verantwortlichen vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen: Es handelt sich um ein internationales Verbrechen." Die Schuldigen sollten daher vor das Haager Tribunal gestellt werden. Jazenjuk beschuldigte zudem die Seperatisten, die Helfer an der Absturzstelle nahe des Ortes Grabowo massiv zu behindert: "Diese Banditen lassen eine Untersuchung der Tragödie durch unsere Leute nicht zu".

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko beschuldigte die Rebellen eines "Terrorakts". An Russland gewandt, sagte er: "Die externe Aggression gegen die Ukraine ist nicht nur unser Problem, sondern eine Bedrohung der europäischen und globalen Sicherheit."

In der Nacht auf Freitag hatte Putin der Ukraine die politische Verantwortung für den Absturz zugeschrieben. "Diese Tragödie wäre nicht passiert, wenn es auf dieser Erde Frieden gäbe, wenn nicht die Kampfhandlungen im Südosten der Ukraine wieder aufgenommen worden wären", sagte er. Das Verbrechen müsse lückenlos aufgeklärt werden.

Russland: Aktivitäten eines ukrainischen Radars

Ausdrücklich nicht sprach Putin davon, dass die ukrainische Seite die Rakete abgefeuert habe. Dies hatten allerdings bereits am Donnerstag die pro-russischen Separatisten in der Ukraine getan. Am Freitag kam dann allerdings noch eine indirekte Beschuldigung seitens Russlands an die Adresse von Kiew: Man habe zur fraglichen Zeit Aktivitäten eines ukrainischen Radars registriert, das zu einer Luftabwehr-Batterie des Typs Buk gehöre.

Die Ukraine weist die Vorwürfe zurück. Das
Flugzeug habe sich außerhalb der Reichweite ukrainischer
Luftabwehrsysteme befunden, sagt ein Sprecher des
Verteidigungsministeriums in Kiew. Zudem seien während des Kampfes gegen die Separatisten nie Raketen eingesetzt worden.

Bilder des Grauens

Die Maschine war um 12:15 Uhr von Amsterdam abgeflogen mit dem Ziel Kuala Lumpur. Malaysia Airlines bestätigte den Kontaktverlust mit dem Flug um 16.15 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt sei die in rund 10.000 Meter Höhe schwebende Maschine etwa 50 Kilometer von der russisch-ukrainischen Grenze entfernt gewesen. Nach dem Absturz wurde der Luftraum über der Ukraine komplett gesperrt.

Nach Kerosin riechende Trümmer wurden kilometerweit über die Region Donezk verstreut, wo sich die pro-russischen Separatisten seit Wochen Kämpfe mit den ukrainischen Regierungstruppen liefern. Die Hauptabsturzstelle lag nahe des Dorfs Dorf Grabowe. Dort bot sich ein Bild des Grauens aus Leichen, Wrackteilen und persönlichen Habseligkeiten der Toten.

Alexander Borodaj, der selbsternannte Regierungschef der "Volksrepublik Donezk", erklärte sich zu einer mehrtägigen Feuerpause bereit, um die gefahrlose Bergung der Leichen zu ermöglichen.

Malaysia schickt Krisen-Reaktions-Team

Malaysias Verkehrsminister Liow Tiong Lai kündigte an, dass ein Katastrophen-Reaktions-Team im Umfang von 62 Personen in die Ukraine gesandt werde. Er wies im übrigen darauf hin, dass 15 von 16 asiatisch-pazifischen Airlines standarmäßig die selbe Route über die Ukraine nehmen: "Wir sind diese Route jahrelang geflogen, sie ist sicher, und deshalb haben wir sie auch benützt". Noch in den Stunden vor dem Unglück hätten zahlreiche internationale Fluggesellschaften die selbe Route genommen.

"Wir müssen und werden genau herausfinden, was mit diesem Flug geschehen ist. Wenn sich herausstellt, dass das Flugzeug tatsächlich abgeschossen wurde, bestehen wir darauf, dass die Täter schnell vor Gericht gestellt werden", sagte Premier Najib Razak. Bei der Aufklärung werde "unter jeden Stein geschaut", versprach er.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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