Israels „Tor zur Welt“ geschlossen

ISRAEL PALESTINIANS CONFLICT
ISRAEL PALESTINIANS CONFLICT(c) APA/EPA/ABIR SULTAN
  • Drucken

Der Abschuss einer Boeing über der Ostukraine hat die Fluglinien unter Zugzwang gebracht: Europäische und US-amerikanische Gesellschaften stellen ihre Flüge nach Tel Aviv ein.

Wien. Das kann und will niemand noch einmal riskieren: Nach dem Abschuss einer malaysischen Boeing 777 über der Ostukraine  haben viele europäische und US-amerikanische Fluglinien noch vor einem offiziellen Flugverbot Israels die Konsequenzen gezogen und am Mittwoch ihre Flüge nach Tel Aviv ausgesetzt. Wobei in den USA die Luftfahrtbehörde FAA ein generelles Flugverbot nach Tel Aviv für 24 Stunden verhängte. Am Dienstag ist eine im Gazastreifen abgefeuerte Rakete ganz nah beim Ben-Gurion-Flughafen eingeschlagen. Die Lufthansa hat für die gesamte Gruppe (AUA, Swiss, Germanwings) die Flugsperre auf Donnerstag ausgedehnt, ebenso Air Berlin und Niki. Die US-Vorgangsweise war zunächst noch unklar.

Das Flugverbot dürfte aber noch länger aufrechtbleiben. Die Lage in Israel hat sich in den vergangenen Stunden nicht entspannt. Auch wenn die israelische Regierung beteuert, der Anflug auf Tel Aviv sei sicher. „Wir sind überzeugt, dass wir den Flughafen schützen können", sagte Armeesprecher Peter Lerner. Er musste allerdings einräumen, dass die Raketenabwehr „kein hermetisches System" sei. Eine Rakete könne schon durchrutschen. Scharfe Kritik an den Flugstreichungen übte indessen Transportminister Israel Katz. Er forderte die Airlines auf, umgehend die Entscheidung rückgängig zu machen. Die El Al fliegt weiter, es besteht eine tägliche Verbindung nach Wien.

Ausweichflughafen in Negev-Wüste

Israel hat den Militärflughafen Ovda in der Negev-Wüste nördlich von Eilat als Ausweichmöglichkeit geöffnet. Das haben die israelischen Reiseveranstalter mit dem Hinweis auf den immensen wirtschaftlichen Schaden für den Tourismus gefordert. Allerdings ist der Flughafen keine Alternative zum internationalen Flughafen Ben Gurion, 20 Kilometer außerhalb von Tel Aviv, dem israelischen „Tor zur Welt". Der Anflug geht dort über Kampfgebiet. Vor zwei Wochen hat Israel den Airport kurzfristig sogar gesperrt, nachdem ihn die Hamas ins Visier genommen hat. Das israelische Abwehrsystem Iron Dome hat damals die Raketen abgeschossen.

„Unsere höchste Priorität gilt der Sicherheit unserer Passagiere und Crews", begründet AUA-Sprecher Peter Thier im Gespräch mit der „Presse" den Schritt. Solange die Sicherheitslage so angespannt sei, werde man Ben Gurion keinesfalls anfliegen. Schon in den vergangenen Tagen kehrten Piloten und Flugbegleiter sofort nach Wien zurück und blieben nicht wie bisher in Israel.

Die AUA, aber auch andere Airlines, haben mit solchen Ereignissen Erfahrung: Schon seit längerer Zeit fliegt die AUA Bagdad, Tripolis und Damaskus nicht an. Solange ein Land kein offizielles Flugverbot ausspricht, liegt es laut Thier im Ermessen der Fluglinie, Flüge zu stoppen. Für Israel gebe es derzeit auch kein Überflugverbot, ebenso wenig wie für andere Krisenherde wie Syrien, den Irak oder Afghanistan. Nach dem Abschuss des Flugs MH 17 über der Ostukraine haben die Malaysia Airlines ihre Flugroute umgehend geändert: Neuerdings geht die Flugstrecke - paradoxerweise - über Syrien.

Da es für Israel - noch - kein Flugverbot und auch keine verschärfte Reisewarnung der Außenministerien gibt, sind Passagiere auf den Goodwill der Airlines angewiesen. Denn bei „höherer Gewalt" ist es schwierig, Ansprüche geltend zu machen. Die Lufthansa-Gruppe und auch Air Berlin mit ihrer Tochter Niki bieten jetzt kostenlose Storno- und Umbuchungsmöglichkeiten an. Nach Angaben des Außenministeriums halten sich derzeit mindestens 350 österreichische Urlauber in Israel auf. Sie hätten sich beim Infoservice des Ministeriums registriert.

Für die Airlines bedeuten solche - wenn auch selbst auferlegte - Flugstreichungen enorme wirtschaftliche Einbußen. Thier will nicht einmal eine Schätzung abgeben. Er verweist aber darauf, dass die AUA auf den zwei täglichen Flügen 600 bis 700 Passagiere befördert. Außerdem gebe es viele Transferpassagiere, etwa in die USA. Eine Versicherung gegen die Ausfälle gibt es jedenfalls nicht - die finanziellen Folgen müssen die Airlines selbst tragen. (eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.