Antisemitismus: Ankaras fataler Anti-Israel-Kurs

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Mehrere türkische Jugendliche haben in Salzburg israelische Fußballer attackiert. Immer öfter werden innerhalb der Community antijüdische Töne eingeschlagen - parallel zur Rhetorik in der Türkei.

Wien/Ankara. Just im salzburgischen Pongau hat der politische Konflikt im Gazastreifen am Mittwochabend zum Abbruch eines internationalen Fußballfreundschaftsspiels geführt: Nachdem Zuschauer mit palästinensischen Flaggen und Plakaten mit der Aufschrift „Fuck Israel“ in Bischofshofen das Spielfeld gestürmt und Spieler attackiert hatten, brach der Schiedsrichter das Match zwischen dem französischen Oberhausklub OSC Lille und dem israelischen Verein Maccabi Haifa in der 85.Minute ab. Bei den Angreifern handelte es sich laut Polizeiangaben um ca. 20 großteils türkischstämmige Salzburger.

Ersten polizeilichen Erhebungen zufolge wurde niemand verletzt, jedenfalls wurde das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung eingeschaltet. Der Polizei zufolge liegt ein verwaltungsrechtlicher Tatbestand vor, strafrechtliche Konsequenzen werden geprüft. Politiker – von Bundespräsident Heinz Fischer abwärts – und Organisationen haben mit Empörung auf den Tumult reagiert. Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, fordert rasche Aufklärung: „Es kann nicht sein, dass Gruppen und Vereine Österreich als Bühne für ihre Parolen der Intoleranz missbrauchen.“

Hakenkreuz auf Plakat

Antisemitisch motivierte Parolen und Attacken innerhalb der türkischstämmigen Community häufen sich in Österreich. Bei einer Pro-Gaza-Demonstration am vergangenen Sonntag in Bregenz kam es zu Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten, Polizisten wurden mit Steinen beworfen. Zum selben Zeitpunkt fand in Wien ebenfalls eine Kundgebung statt, die 11.000 Teilnehmer waren größtenteils türkischstämmig. Organisiert wurde sie von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die der AKP des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan nahesteht und ihn vor Kurzem nach Wien eingeladen hat. Von judenfeindlichen Sprüchen und Transparenten hat sich die UETD zwar im Vorfeld distanziert, auf der Demonstration waren dennoch Plakate mit Hakenkreuz zu sehen.

Zur Frage, wie antisemitisch die türkische Gemeinschaft in Österreich eingestellt ist, gibt es kaum Studien. Fest steht, dass antijüdische Hetzparolen in sozialen Medien mühelos zugängig sind – gepaart mit Bildern von verletzten und toten Palästinensern, die Frust und Wut aufwiegeln. Aber auch über andere Medienkanäle wird die wachsende Israel-Feindlichkeit in der Türkei von Teilen der Community in Österreich übernommen.

Ankaras Beziehung mit Jerusalem befindet sich seit dem Angriff auf die Gaza-Hilfsflottille Mavi Marmara im Jahr 2010, wobei acht Türken und ein US-Bürger getötet wurden, am Gefrierpunkt. Erst vor einigen Tagen hat Premier Erdoğan die israelische Militäroffensive „eine Barbarei“ genannt, die „Hitler überflügelt“. Vertreter der AKP fallen oft mit antisemitischen Parolen auf. So wurden Israel bzw. Juden für die Proteste rund um den Istanbuler Gezi-Park mitverantwortlich gemacht, oder auch für den Militärputsch in Ägypten im vergangenen Jahr. Vor allem im Zuge des Arabischen Frühlings hat der türkische Premier lauthals antijüdische Töne angeschlagen, um in den Ländern des Umbruchs punkten und Fuß fassen zu können. Diese Rhetorik hat Erdoğan auch danach beibehalten.

Junge Juden verlassen Türkei

Dabei hatte der Premier bei der Gründung der AKP vor über zehn Jahren die antiwestliche, antisemitische und ultranationalistische Ausrichtung der Wohlfahrtspartei, der er zuvor angehörte, demonstrativ abgestreift. Sein politischer Erfolg ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen – und auf seinen minderheitenfreundlichen Kurs. Während aber die kurdisch-türkischen Beziehungen weiterhin gefestigt werden, befürchtet die türkisch-jüdische Gemeinde mit 15.000 Mitgliedern die sukzessive Verschlechterung ihrer Lage.

Medienberichten zufolge kehren vor allem junge Juden aufgrund des steigenden Antisemitismus der Türkei den Rücken. Im Istanbuler Stadtteil Ortaköy wurde kürzlich die Synagoge mit Eiern beworfen. Und am Mittwoch machte in sozialen Medien ein Boykottaufruf die Runde, „jüdische Produkte“ zu verbannen – darunter auch die Bücher des beliebten türkisch-jüdischen Schriftstellers Mario Levi. Er selbst meldete sich ebenfalls per Twitter zu Wort und bedauerte den Aufruf: Er sei in erster Linie Weltbürger, dann ein türkischer Schriftsteller, dann Jude.

Rückendeckung erhielt Levi nicht nur von Kollegen und Journalisten, sondern auch von Kulturminister Ömer Çelik (AKP). Der laute Aufschrei, der durch die Medien ging, zeigt gleichzeitig auch den Widerstand in der Türkei gegen den steigenden Antisemitismus. Auch diese Signale werden von Teilen der türkischstämmigen Community in Europa – so auch in Österreich – wahrgenommen und übernommen.

Weitere Infos:www.diepresse.com/gaza

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2014)

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