Nahost: Waffen schwiegen nur kurz zum Fest

MIDEAST ISRAEL PALESTINIANS CONFLICT
MIDEAST ISRAEL PALESTINIANS CONFLICT(c) APA/EPA/ABIR SULTAN
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Israels Armee sprach Montag von einer „unbegrenzten Feuerpause“. Deren Grenze war jedoch am Abend schon wieder erreicht. Israels Premier kündigte Fortsetzung der Offensive an.

Jerusalem. Was man tagelang auf diplomatischem Weg zu erreichen versucht hatte, das stellte sich am Montag auch ohne Abkommen ein – allerdings nur kurz: Die Waffen im und um den Gazastreifen schwiegen zum islamischen Fest Eid al-Fitr, mit dem das Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan begangen wird. Die Menschen wagten sich vorsichtig auf die Straße, vor allem, um nach Vermissten zu suchen und Tote zu beerdigen. Ein israelischer Armeesprecher bezeichnete die Situation als „unbegrenzte Feuerpause“. Der Armee stehe es indes frei, auf Feuer mit einem Gegenangriff zu reagieren. Die Grenzen der Waffenruhe waren denn auch bald erreicht: Schon gegen Mittag war ein palästinensisches Kleinkind bei einem israelischen Angriff gestorben, nachdem kurz zuvor Islamisten Raketen auf Israel abgeschossen hatten: „Am Tag des Eid-Festes bin ich stolz, meinen Sohn zu opfern zugunsten des Sieges des Widerstands“ zitierte die Nachrichtenagentur Reuters den Vater.

Am Abend intensivierten sich die Kampfhandlungen: Zuerst starben im südisraelischen Eshkol vier Menschen bei einem Angriff mit Granatwerfern durch militante Palästinenser. Wenig später wurde von erneuten Angriffen Israels im Gazastreifen berichtet –  getroffen wurde angeblich auch ein Gebäude eines Krankenhauses – und von mindestens zehn Toten Palästinensern. Zudem forderte die Armee die Einwohner mehrerer Gebiete im Gazastreifen zur sofortigen Räumung ihrer Häuser auf, was auf einen bald bevorstehenden massiveren Angriff schließen ließ. Am frühen Dienstagmorgen gab es auch Tel Aviv erstmals seit Freitag wieder Luftalarm. Im zentralen und südlichen Gazastreifen wurden am frühen Dienstag nach palästinensischen Angaben 16 Menschen getötet. 50 seien verletzt worden, berichteten Sanitäter und Augenzeugen.

Mit Vollgas im Leerlauf

Israels Premier Benjamin Netanjahu sagte, die Offensive werde weitergehen, um die Tunnel zu zerstören, die die Hamas für Anschläge in Israel nutzt. Vermutlich durch einen solchen Tunnel kamen auch jene Extremisten, die am Abend in ein Kibbuz eindrangen und das Feuer eröffneten. Israel sprach von fünf getöteten Angreifern, die Hamas von zehn getöteten Soldaten.

Der UN-Sicherheitsrat hatte am Vorabend in einer Erklärung eine „sofortige und bedingungslose Waffenruhe“ gefordert. Rijad Mansur, der Abgesandte der Palästinensischen Befreiungsorganisation bei der UNO, empfand die Erklärung als zu zaghaft angesichts der Tatsache, dass „Israel uns bedroht und unsere Kinder tötet“. Mansur hätte eine verbindliche UN-Resolution als angemessener betrachtet. Auch Israels UN-Botschafter Ron Prosor zeigte sich mit der Erklärung unzufrieden, die die islamistische Hamas und deren Raketenangriffe auf Israel mit keinem Wort erwähnt.

Die internationalen Bemühungen um einen Waffenstillstand laufen derweil mit Vollgas im Leerlauf. Dabei blockieren auch Machtinteressen der Führungen in der Region das Finden einer Lösung für den Gazastreifen. US-Außenminister John Kerry hat am Freitagabend Israel mit seinem Entwurf für einen Waffenstillstand erzürnt, der weder das Tunnelproblem ansprach noch eine Abrüstung der Raketen im Gazastreifen. Sogar die liberale Justizministerin Tzipi Livni nannte den Vorschlag, der „die Extremisten in der Region stärken“ würde, „komplett inakzeptabel“.

Palästinenser hoffen auf Kairo

Auch die moderate palästinensische Führung im Westjordanland reagierte ungehalten angesichts des Waffenstillstandsentwurfs, der ohne ihr Zutun entstanden war. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas erklärte vor Journalisten in Saudiarabien, dass er dem Gipfeltreffen vergangene Woche in Paris ferngeblieben sei, weil Ägypten nicht eingeladen worden war. Israelischen Berichten zufolge stand Abbas selbst auch nicht auf der Liste der von Kerry geladenen Gäste. Stattdessen kamen die Chefdiplomaten aus Doha und Ankara, die beide der Hamas nahestehen.

Nach Ansicht von Abbas ist der ägyptische Kompromiss „der einzige Waffenstillstandsvorschlag auf dem Tisch“. Der Entwurf, den die Regierung in Kairo auf Initiative von Abbas gleich zu Beginn der israelischen Bodenoffensive vorgelegt hat, sieht eine Stufenregelung zur Aufhebung der Gazablockade vor. Mussa Abu Marsuk, die Nummer zwei im Politbüro der Hamas und der letzte führende Kopf der palästinensischen Islamisten, der noch in Kairo lebt, rechnet damit, dass die ägyptische Regierung in Kürze einen neuen Vorschlag präsentieren wird. (kna, ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2014)

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