Schwerste Angriffe Israels seit Beginn der Gaza-Offensive

Das Haus von Hamas-Führer Ismail Haniyeh wurde durch israelische Attacken zerstört.
Das Haus von Hamas-Führer Ismail Haniyeh wurde durch israelische Attacken zerstört.(c) REUTERS
  • Drucken

Israel attackierte in der Nacht auf Dienstag etwa 150 Ziele im Gazastreifen, darunter das einzige Kraftwerk. Irans geistliches Oberhaupt wirft Israel "Völkermord" vor.

Der Gazastreifen hat in der Nacht auf Dienstag die heftigsten Angriffe seit Beginn der israelischen Offensive vor drei Wochen erlebt. Mindestens 30 Palästinenser starben nach Berichten von Augenzeugen. Bei dem Beschuss wurde auch das einzige Kraftwerk in dem Küstenstreifen getroffen. Die Anlage steht in Flammen und ist seither außer Betrieb.

Die Feuerwehr bemühe sich um eine Eindämmung des Brands, berichteten örtliche Medien. Eine Armeesprecherin in Tel Aviv teilte mit, man prüfe den Bericht. Nach Angaben eines Vertreters der Energiebehörde des Gazastreifens wurde bei den Angriffen in der Nacht der Dampfgenerator des Kraftwerks beschädigt und die Treibstofftanks fingen Feuer.

Stromausfall, Leitungen getroffen

Augenzeugen zufolge fiel der Strom aus, nachdem das Kraftwerk getroffen wurde. Die Anlage versorgt knapp ein Drittel der Haushalte im Gazastreifen mit Strom. Die Bewohner des Gebiets bekommen außerdem von Israel direkt Elektrizität, allerdings wurden nach Angaben des Behördenvertreters auch fünf der zehn Versorgungsleitungen jüngst durch Angriffe zerstört. Hier war es gleichfalls bisher unmöglich, in das Gebiet vorzudringen, um die Leitungen zu reparieren.

Nachdem der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu seine Landsleute auf einen längeren Krieg eingestellt hatte, verstärkte die Armee in der Nacht auf Dienstag erneut ihre Angriffe. Vom Land, aus der Luft und vom Meer aus beschossen die israelischen Streitkräfte nach eigenen Angaben 70 Ziele in dem Küstenstreifen, darunter auch das Haus des Hamas-Anführers Ismail Haniyeh. Die Zahl der palästinensischen Opfer seit Beginn der Offensive stieg damit auf über 1.100. Auf israelischer Seite kamen 53 Soldaten ums Leben sowie drei Zivilisten.

Haniyeh: "Widerstand fortsetzen"

Hamas-Anführer Haniyeh - der frühere Ministerpräsident des Küstengebietes - erklärte auf seiner Internetseite zum Beschuss seines Hauses: "Die Zerstörung von Steinen wird unseren Willen nicht brechen, und wir werden unseren Widerstand fortsetzen, bis wir unsere Freiheit erringen." Die Hamas schoss wieder Raketen auf Israel ab.

In der israelischen Mittelmeermetropole Tel Aviv heulten zum ersten Mal mitten in der Nacht die Alarmsirenen und rissen die Einwohner aus dem Schlaf. Zwei Raketen seien nahe Rishon Lezion südöstlich von Tel Aviv eingeschlagen, teilte die Armee mit.

Taghelle Nacht

Die israelische Armee forderte vor der nächtlichen Angriffswelle tausende Bewohner der Gebiete rund um Gaza-Stadt auf, ihre Häuser zu verlassen. Nach Einbruch der Dunkelheit setzten die Angriffe ein. Der Himmel war von Leuchtkörpern erhellt, Schüsse waren zu hören. Nach Darstellung der Hamas wurden auch die Gebäude ihres Fernsehsenders Al-Aqsa TV und des Hörfunksenders Al-Aqsa Radio bombardiert. Das Fernsehen sendete aber weiter, der Hörfunk blieb indes stumm.

Netanyahu hatte am Montag gesagt, die Offensive werde erst dann enden, wenn das Tunnelsystem der Hamas zerstört und der Gazastreifen entmilitarisiert sei. "Wir werden diese Operation nicht vorher beenden, bis die Tunnel ausgeschaltet sind, deren einziger Zweck es ist, unsere Bürger und unsere Kinder zu töten", sagte der Premier in einer Fernsehansprache. Zuvor waren trotz einer Feuerpause erneut Hamas-Kämpfer durch einen Tunnel nach Israel vorgedrungen und hatten einen Wachposten für den grenznahen Kibbuz Nahal Os mit einer Rakete beschossen. Dabei wurden fünf Soldaten getötet.

Waffenruhe in weite Ferne gerückt

Am Dienstag sollte eine hochrangige palästinensische Delegation in Ägypten über eine Waffenruhe zwischen Israel und den militanten Palästinensern beraten. Mit der jüngsten Eskalation und der Erklärung Netanyahus scheint aber ein Waffenstillstand in weite Ferne gerückt zu sein. Die Appelle von US-Präsident Barack Obama und des UN-Sicherheitsrates, die Waffen schweigen zu lassen, verhallten ungehört. Netanyahu warf dem Rat vor, er kümmere sich einseitig um die Bedürfnisse einer "mörderischen Terrorgruppe", habe aber keine Antworten auf das Sicherheitsbedürfnis Israels. Zuvor waren die Vermittlungsbemühungen von US-Außenminister John Kerry erfolglos im Sande verlaufen. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon warf beiden Konfliktparteien vor, sie hätten nicht den politischen Willen, den Konflikt zu beenden.

Die islamistische Führung in Teheran verschärfte ihre Tiraden gegen Israel. Der oberste politische und religiöse Führer des Landes, Ayatollah Ali Khamenei, nannte Israel einen "tollwütigen Hund" und "raubgierigen Wolf". Zugleich rief er die muslimische Welt auf, die Palästinenser mit Waffen zu versorgen, damit sie sich gegen "diesen Völkermord" zur Wehr setzen könnten.

Führende westliche Nationen forderten indes erneut eines sofortige, bedingungslose und humanitäre Waffenruhe. Zugleich äußerten sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Obama, Frankreichs Staatschef Francois Hollande, der britische Premier David Cameron und der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi in einer Telefonkonferenz besorgt über das Risiko einer weiteren Eskalation.

(APA/dpa/Reuters/AFP)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.