Kosovo: Ermittler werfen UCK-Spitze Kriegsverbrechen vor

Kämpfer der kosovarischen Untergrundarmee UCK im Jahr 1999
Kämpfer der kosovarischen Untergrundarmee UCK im Jahr 1999(c) EPA
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Führer der Untergrundarmee seien für Entführung, Folter und Mord verantwortlich, erklärt der EU-Sonderermittler. Für eine Anklage wegen Organhandels reichen die Beweise nicht.

Die Vorwürfe zielen ganz an die Spitze: "Hochrangige Führer" der ehemaligen kosovarischen Untergrundarmee UCK sollen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden, begangen in der Endphase des Kosovokrieges 1999 und in den Monaten danach. Dies ist der zentrale Punkt im Bericht des von der EU bestellten Sonderermittlers Clint Williamson, der am Dienstag in Brüssel präsentiert wurde, und aus dem das Magazin "Balkan Insight" in seiner Onlineausgabe zitierte. 

Die Verbrechen, derer die damalige UCK-Führung, die für eien Loslösung des Kosovo von Serbien kämpfte, beschuldigt wird, sind "ungesetzliche Tötungen, Entführungen, illegale Inhaftierung, sexuelle Gewalt, Vertreibungen, Entweihung von Kirchen und anderen religiösen Stätten", sagte Williamson. Die Taten seien gegen Angehörige der serbischen Minderheit und der Roma gerichtet gewesen sowie gegen Kosovaren, denen man entweder Kollaboration mit den Serben vorwarf oder die "ganz einfach politische Gegner der UCK-Führung waren", wie Williamson ausführte. Die Fälle sollen vor einem noch einzurichtenden internationalen Sondergericht verhandelt werden.

Organhandel: Künftige Anklage möglich

Der US-Jurist hat die Vorwürfe jahrelang untersucht, seine Task Force war 2011 eingerichtet worden, nachdem der Europarats-Sonderermittler Dick Marty schwere Anschuldigungen gegen die einstige Spitze der UCK erhoben hatte. Der schwerste war die Anschuldigung, dass die kosovarischen Untergrundkämpfer Serben nach Albanien verschleppt und ihnen dort Organe entnommen hätten, um diese zu verkaufen. Von serbischer Seite war sogar von hunderten Opfern einer solchen Praxis die Rede gewesen und davon, dass dies teilweise sogar bei lebendigem Leibe geschehen sei.

Es gebe überzeugende Hinweise dass einige wenige Personen geötet wurden mit der Absicht, ihre Organe zu entnehmen, so Williamson. Der Vorwurf allerdings, dass hunderte Menschen getötet und ihre Organe verkauft worden seien, sei nicht belegbar. "Es gibt keine Hinweise, dass dies verbreitet war", sagte Williamson. Und es gebe nicht genügend Beweise für eine Anklage bezüglich illegalen Organhandels. Gleichzeitig schloss Williamson nicht aus, dass es in dieser Sache künftig Anklagen geben könnte.

In der Endphase des Kosovo-Krieges drehte sich der Spieß um: Nachdem es 1998 und 1999 vor allem zu Gräueltaten der serbischen Sicherheitskräfte - Armee und Polizei - gegen die Kosovo-Albaner gekommen war, ging nun die UCK auch gegen serbische Zivilisten vor. Hunderte Serben gelten bis heute als "vermisst", was allerdings lediglich den Umstand beschreibt, dass ihre Leichen noch nicht gefunden wurden, denn niemand rechnet noch damit, dass diese Menschen noch am Leben sein könnten.

(hd)

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