EU verschärft Gangart gegen Putin

File photo of Russia's President Putin attending a ceremony to commemorate the anniversary of the beginning of the Great Patriotic War against Nazi Germany in 1941, in Moscow
File photo of Russia's President Putin attending a ceremony to commemorate the anniversary of the beginning of the Great Patriotic War against Nazi Germany in 1941, in Moscow(c) REUTERS
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Die EU-Mitglieder einigen sich erstmals auf weitreichende Sanktionen gegen die russische Wirtschaft. Moskau sieht sich mittlerweile mit einer Vielzahl von Strafmaßnahmen konfrontiert.

Brüssel. Es ist die berühmt-berüchtigte letzte Stufe des dreistufigen Sanktionsplans gegen Russland, auch wenn niemand das offiziell zugeben will: Am gestrigen Dienstag überquerten die in Brüssel versammelten EU-Botschafter den Rubikon und einigten sich auf Wirtschaftssanktionen, die ganze Zweige der russischen Wirtschaft ins Visier nehmen.

Das Sanktionspaket der EU limitiert den Zugang der staatlichen russischen Finanzinstitutionen zu Kapitalmärkten der EU, führt ein Waffenembargo ein und etabliert Ausfuhrverbote für europäische Hochtechnologieprodukte, die militärisch sowie in der Ölförderung Verwendung finden. Besonders schmerzhaft für Moskau dürfte die Verbannung russischer Staatsbanken von europäischen Finanzplätzen werden – folgt der Rat der Empfehlung der Kommission, werden die Russen ihre neuen Aktien und Anleihen nicht mehr an Europäer verkaufen können.

Und auch nicht an Amerikaner: ab sofort sind drei staatseigene Banken vom Dollarmarkt komplett ausgeschlossen. Das betrifft die VTB Bank, Russlands größte Bankengruppe, die zu 60,9 Prozent im Staatsbesitz ist, ihre Tochter Moscow Bank, die russische Landwirtschaftsbank sowie den staatlichen Schiffsbauer OSK. Präsident Barack Obama erklärte zudem, dass die USA fortan keine Exportkredite für Ausfuhren nach Russland finanzieren werden. Diese Sanktionen könnten umso schneller beendet werden, „je eher die Russen einsehen, dass sie eher Einfluss auf die Ukraine nehmen können, indem sie gute Nachbarn sind und Handel treiben, statt sie wie einen Vasallenstaat zu behandeln.“

Seit der Annexion der Krim durch Russland im März versuchen Europa und die USA, Russlands Präsidenten Wladimir Putin dazu zu bringen, von der Ukraine abzulassen. Anfangs wurden die westlichen Bemühungen in Moskau belächelt, doch mittlerweile wurde Russland mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen in die Zange genommen.

Gezielte Sanktionen

Bevor Breitbandsanktionen zur Sprache kamen, waren Strafmaßnahmen gegen Einzelpersonen – Stufe zwei des europäischen Sanktionsplans – das bevorzugte Druckmittel der EU. Seit der Annexion der Krim durch Russland im März wurden die Verantwortlichen für die Ukraine-Krise mit Einreiseverboten und Kontosperren belegt. Der Kreis der Betroffenen weitete sich sukzessive aus – bis gestern waren 87 Russen und prorussische Ukrainer sowie 20 „Entitäten“ (also Organisationen und Firmen) auf der schwarzen Liste, zuletzt kamen beispielsweise die Chefs der russischen Geheimdienste hinzu. 14 weitere Namen sollen am heutigen Mittwoch im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden – darunter könnten sich Gerüchten zufolge Personen aus Putins engstem Zirkel sowie die Finanzinstitute Sberbank und VTB befinden.

Hausbanken der EU

Stichwort Finanzinstitute: Bereits in die Wege geleitet wurde der Boykott Russlands bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Die Hausbank der Union wurde angewiesen, keine neuen Projekte in Russland zu finanzieren – 2014 geht es um ein Investitionsvolumen von 600 Millionen Euro. Bei der in London ansässigen EBRD wollen die Europäer mit den USA und Japan ihre Sperrminorität nutzen, um die Kreditvergabe zu verhindern. Die EBRD hat seit ihrer Gründung 1991 rund 25 Milliarden Euro nach Russland überwiesen.

Causa Litwinenko

Eine weitere Front gegen Putin wurde vergangene Woche von der britischen Innenministerin, Theresa May, eröffnet: Die britischen Ermittlungsbehörden werden die Ermordung des Kreml-Kritikers Alexander Litwinenko neu untersuchen. Der ehemalige KGB-Agent, der 2000 in Großbritannien um Asyl angesucht hatte, war 2006 mit radioaktivem Polonium-210 vergiftet worden. Die mutmaßlichen Täter tauchten in Russland unter.

Causa Yukos

Am Montag verurteilte ein Den Haager Schiedsgericht Russland zu 50 Milliarden Euro Strafe wegen der Zerschlagung des Ölkonzerns Yukos 2004. Das Unternehmen des Oligarchen Michail Chodorkowski sei aus politischen Gründen ruiniert worden. Chodorkowski verbrachte zehn Jahre hinter Gittern und wurde Ende 2013 von Putin begnadigt. Moskau will das Urteil anfechten.

G8 – 1 = G7

Rein symbolischer Natur ist hingegen der Ausschluss Russlands aus der Gruppe der acht führenden Industrienationen. Ob aus den G7 wieder die G8 werden können, ist momentan fraglich. Zudem wird in Australien laut über die Ausladung Russlands vom G20-Gipfel im November nachgedacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2014)

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