Chinas KP schnappt sich einen besonders bissigen „Tiger“

China´s then Public Security Minister Zhou Yongkang attends the Hebei delegation discussion sessions in Beijing
China´s then Public Security Minister Zhou Yongkang attends the Hebei delegation discussion sessions in Beijing(c) REUTERS (JASON LEE)
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Der bis vor Kurzem allmächtige Sicherheitschef Zhou Yongkang wird angeklagt.

Peking. Chinas soziale Medien schlafen nicht. Kaum hatte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua in einer kurzen Notiz bekannt gegeben, die Führung der Kommunistischen Partei habe gegen den ehemaligen Sicherheitschef Zhou Yongkang ein Disziplinarverfahren eröffnet, gab es bei dem Kurznachrichtendienst Weibo nur wenige Minuten später bereits über 13.000 Einträge.

Und die Meldung wurde keineswegs nur weitergeleitet. „Endlich geht es ans Eingemachte“, freute sich ein Nutzer. Ein weiterer schrieb: „Hoffentlich räumen sie mit der ganzen Führung auf.“ Normalerweise werden solche Äußerungen als staatsfeindlich abgetan und sofort gelöscht. Doch angesichts der Masse an Kommentaren kamen die Behörden mit der Zensur nicht hinterher. Auch Stunden später waren diese Einträge noch abrufbar.

Die chinesische Führung hat am frühen Dienstagabend offiziell bestätigt, dass sie gegen ein früheres Mitglied des höchsten politischen Führungszirkels des Landes ermittelt. Es sei eine Untersuchung gegen Zhou Yongkang im Gang, teilte die Disziplinarkommission der Kommunistischen Partei mit. Es ginge um „schwerwiegende Disziplinarvergehen“. Üblicherweise sind in der Volksrepublik damit Korruptionsvorwürfe gemeint.

Zhou war lange Zeit für die staatlichen Erdölunternehmen zuständig, bis 2012 oberster Sicherheitschef und Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros, des mächtigsten Gremiums der Kommunistischen Partei und damit der Volksrepublik insgesamt. In dieser Zeit schaffte der heute 72-Jährige es, Chinas Polizei- und Geheimdienst zu einem größeren Apparat auszubauen als das Militär. Auf Zhou geht auch das harte Vorgehen gegen eine Reihe von Dissidenten und Menschenrechtsaktivisten zurück, unter anderem auch das Urteil gegen den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo.

„Keiner ist unantastbar“

Die offizielle Eröffnung eines innerparteilichen Disziplinierungsverfahrens kommt im System von Chinas KP einer Verurteilung gleich. Es ist damit das erste Mal seit mehr als 30 Jahren, dass ein so ranghoher Funktionär in aller Öffentlichkeit belangt wird. Es ist ein noch größerer Schlag als gegen den 2012 in Ungnade gefallenen Spitzenpolitiker Bo Xilai – ein Fall, der weltweit für Aufsehen gesorgt und die internen Machtkämpfe bei Chinas Kommunisten offenbart hatte.

„Die Entscheidung, gegen Zhou Yongkang offiziell vorzugehen, ist auch ein klares Signal an chinesische Spitzenpolitiker, dass keiner unantastbar ist“, analysiert Kristin Shi-Kupfer vom in Berlin ansässigen Mercator Institut für China-Studien (Merics). Staats- und Parteichef Xi Jinping wolle Geschlossenheit der Parteiführung zeigen.

Xi hatte gleich nach Amtsbeginn die Korruptionsbekämpfung zur Chefsache erklärt und betont, dass er weder vor „Fliegen noch vor Tigern“ haltmachen werde. Was er damit meinte: Anders als seine Vorgänger werde er auch vor höchsten Funktionären nicht zurückschrecken, sollten sie sich einer Straftat schuldig machen. Doch mit dem besonders bissigen Tiger Zhou tat er sich offensichtlich schwer.

Bereits seit einem Jahr gibt es Hinweise auf Ermittlungen gegen Zhou. Im August 2013 kam erstmals das Gerücht auf, dass die gerade ins Amt beförderte Führung um Xi Jinping gegen den einstigen Hardliner vorgeht. Anfang des Jahres berichteten Hongkonger Zeitungen davon, dass Zhou seit Dezember inhaftiert sei, ebenso sein Sohn. Doch offiziell bestätigte die chinesische Führung die Ermittlungen gegen ihn nicht.

Warum die Parteispitze um Xi Jinping mit der offiziellen Bekanntgabe bis gestern wartete, lässt sie auch weiterhin offen. Es verdichten sich aber die Hinweise, dass sie es auf eine ganze Strömung innerhalb des Machtapparats abgesehen hat und sichergehen wollte, dass es nicht zum Gegenschlag kommt.

Racheakt des Staatschefs?

Mehr als ein Dutzend ehemalige Mitarbeiter und Vertraute von Zhou wurden im Laufe der vergangenen Monate festgenommen. Sie besetzten allesamt viele Jahre wichtige Posten. Zudem waren sie dem einstigen Spitzenpolitiker Bo Xilai zugetan. Bo war bis zu seinem Sturz im Frühjahr 2012 der größte und mächtigste Widersacher des jetzigen Präsidenten.

AUF EINEN BLICK

China leitete erstmals ein Korruptionsverfahren gegen ein ehemaliges Mitglied von Chinas höchstem Machtzirkel ein. Gegen den Ex-Sicherheitschef Zhou Yongkang werde ermittelt, hieß es. Nie zuvor ist einem früheren oder amtierenden Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros der Prozess gemacht worden. Als Sicherheitschef akkumulierte Zhou enorme Macht und Reichtum: Laut „New York Times“ verfügen Zhous Sohn, dessen Schwiegermutter und eine Schwägerin über ein Vermögen von einer Milliarde Dollar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2014)

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