Israels Armee weitet Offensive aus

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epaselect MIDEAST ISRAEL PALESTINIANS CONFLICT(c) APA/EPA/MOHAMMED SABER (MOHAMMED SABER)
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Ein Elektrizitätswerk sowie ein Krankenhaus wurden getroffen. Die Feuerpause, die die PLO gefordert hat, wurde von der Hamas abgelehnt. 200.000 Menschen sind auf der Flucht.

Jerusalem. Die Kämpfe im Gazastreifen einen neuen Höhepunkt erreicht. Mehr als einhundert Menschen starben am gestrigen Dienstag innerhalb von wenigen Stunden bei Angriffen aus der Luft, vom Meer her und durch Israels Panzerbrigaden. Israels Soldaten reagierten mit aller Macht auf den Tod von zehn ihrer Kameraden, die am Vortag ums Leben gekommen waren. Die Israelis starben bei einem Angriff mit Mörsergranaten und beim Kampf mit einem Hamas-Kommando, das sich durch einen geheimen Tunnel unbemerkt nach Israel geschlichen hatte.

Die Armee konzentrierte ihre Angriffe auf öffentliche Gebäude, darunter die Studios des Hamas-Senders al-Aqsa. Auch das Haus des früheren Premierministers Ismail Hanijeh stand unter Beschuss. Am Morgen war zudem ein Öltank des einzigen Elektrizitätswerks in Gaza im Artilleriefeuer explodiert. Schon vorher war die Stromversorgung auf nur einige Stunden am Tag reduziert. Die Reparaturen des Werks könnten, so sagen Mitarbeiter, mehrere Monate in Anspruch nehmen. Ebenfalls am Dienstag starben bei den Angriffen laut Angaben der Internationalen Journalistenföderation (IFJ) ein palästinensischer Journalist sowie seine Tochter. Insgesamt sind laut IFJ fünf Medienvertreter während dem Gaza-Konflikt gestorben.

Der Beschuss eines der wichtigsten Kliniken im Gazastreifen, dem Al-Shifa-Krankenhaus, wurde unterdessen von der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ scharf kritisiert, zumal zwei Drittel der Patienten seien Kinder seien.

Schüsse auf Demonstranten

Noch immer bleibt unklar, wie die Kämpfe beendet werden sollen. Israels Premier Benjamin Netanjahu hat in seiner Rede am Montag Abend das Ziel umrissen, die geheimen Tunnel zu zerstören und die Raketengefahr einzudämmen – was derzeit jedoch kaum abzusehen ist. Ebensowenig steht eine Einigung mit der Hamas an, denn die Islamisten rücken von ihren Forderungen keinen Zentimeter ab.

Zum ersten Mal soll sich in dem umkämpften Viertel Shudschajah, im Osten der Stadt Gaza, eine Gruppe Palästinenser versammelt haben, um für ein Ende des Krieges zu demonstrieren. Nach Informationen von Alon Ben-David, militärischer Korrespondent des israelischen TV-Senders „Channel 10“, habe die Hamas „20 der Demonstranten in eine Reihe gestellt und auf offener Straße erschossen“.

Ein von der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) vorgeschlagenes 24-stündiges Einstellen der Kämpfe, lehnte die Hamas gestern ab. „Wir werden erst dann einen Waffenstillstand erwägen, wenn sich Israel dazu verpflichtet“, kommentierte Hamas-Sprecher Sami Abu-Suhri, und verlangte „internationale Garantien“. Die Islamisten fordern eine Öffnung der Grenzübergänge, Häfen und die Amnestie Dutzender Häftlinge. Solange Gefahr aus dem Gazastreifen droht, werden weder Israel noch Ägypten einem Ende des Embargos zustimmen. Die Regierung in Kairo zeigt sich ohnehin nicht sonderlich engagiert bei der Vermittlung zwischen den Konfliktparteien.

Die Ägypter haben ein Interesse an der Schwächung der Islamisten. Israels Offensive passt Kairo vorläufig ganz gut, von den vielen Opfern unter der palästinensischen Zivilbevölkerung abgesehen.

Rund 200.000 Menschen aus dem Gazastreifen sind derzeit auf der Flucht. „Wir rechnen mit Zigtausenden mehr“, meint Christopher Gunness, Sprecher der UNRWA (UN-Hilfe für palästinensische Flüchtlinge). In der Nacht auf Dienstag warf die israelische Luftwaffe erneut Flugblätter ab und forderte die Bevölkerung in der Kleinstadt Jabalia, im Norden des Gazastreifens, und in mehreren Wohnvierteln der Stadt Gaza dazu auf, ihre Wohnungen zu verlassen. 83 UN-Schulen sind bereits komplett ausgelastet. „Wir haben insgesamt 92 Schulen“, sagt Gunness. Am Nachmittag gab es erneut Warnungen der Luftwaffe, die die Bevölkerung im Zentrum von Khan Younis, ganz im Süden des Gazastreifen, zur Flucht drängten.

Zustimmung in Israel

Ungeachtet der Zahl von weit mehr als 1200 Toten Palästinensern steht die Bevölkerung in Israel fest hinter der Armee. Einer am Dienstag vom Israelischen Institut für Demokratie veröffentlichen Umfrage zufolge, halten 60 Prozent der jüdischen Bevölkerung in Israel das Vorgehen der Armee für angemessen. 33 Prozent der Juden in Israel finden, dass die Soldaten sogar noch härter agieren könnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2014)

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