Moskaus Politik im Kühlregal

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Putin(c) APA/EPA/ALEXEY NIKOLSKY / RIA NO (ALEXEY NIKOLSKY / RIA NOVOSTI /)
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Der Kreml nutzt Handelsbestimmungen als Fortführung der Außenpolitik mit anderen Mitteln. Lebensmittel aus unliebsamen Ländern werden mit Importverboten belegt.

Moskau. Es sind hektische Tage für die russischen Aufsichtsbehörden. Nachdem Moskau bereits den Import ukrainischer Milchprodukte untersagt hatte, darf seit Donnerstag auch kein Saft mehr aus dem Nachbarland eingeführt werden. Verhängt wurde zudem ein Importstopp für Früchte und Gemüse aus Polen. Und bis Ende der Woche könnten Frucht- und Gemüseimporte aus weiteren EU-Staaten verboten werden.

Für die europäischen Produzenten ist Russland kein kleiner Markt: 2012 beliefen sich die Exporte von Lebensmitteln und Lebendvieh auf 8,3 Milliarden Euro, ein Plus von rund 30 Prozent gegenüber 2008. Gemessen am Wert (mehr als zwei Milliarden Euro) liegt Russland für die EU-Exporteure bei Früchten und Gemüse sogar auf dem ersten Platz. Moskau begründet die Importverbote meist mit einer Verletzung der Zertifizierungspflicht – oder mit gesundheitlichen Risken für die Bevölkerung, wie zuletzt etwa bei McDonalds.

Der amerikanischen Fast-Food-Kette wird vorgeworfen, falsche Angaben über den Inhalt ihrer Burger gemacht zu haben, weshalb ein Verfahren eröffnet wurde. Nun prüfen die Aufsichtsbehörden ausländische Zulieferer von Scheiblettenkäse auf vermutete Antibiotika-Spuren. Burger King und Kentucky Fried Chicken (KFC) sollen offenbar ebenfalls stärker kontrolliert werden. Im Extremfall könnte ihnen die Schließung drohen.

Bestes Beispiel: Georgien

Die Liste der russischen Importverbote der vergangenen Jahre stimmt ziemlich genau mit den außenpolitischen Verstimmungen des Kremls überein. Auch wenn die zuständigen Stellen dies verneinen, liegt die Vermutung nahe, das hier nicht nur der Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsschädlichen Lebensmitteln im Zentrum steht, sondern dass Moskau Handelsbestimmungen als Fortführung der Außenpolitik mit anderen Mitteln nützt.

Etwa im Fall Georgiens: 2006 hatte Rospotrebnadsor, die föderale Aufsichtsbehörde für Verbraucherschutz und Gesundheit, angeblich giftige Substanzen im georgischen Wein entdeckt und verhängte ein Importverbot. Zuvor hatte der damalige georgische Präsident Micheil Saakaschwili Moskau mit der Ankündigung einer georgischen Nato-Mitgliedschaft vor den Kopf gestoßen. Der Tonfall änderte sich erst wieder, als im Herbst 2012 bei den Parlamentswahlen das Bündnis „Georgischer Traum“ von Bidsina Iwanischwili gewann.

Im Wahlkampf hatte dieser einen Ausgleich mit Moskau versprochen, seit dem vergangenen Sommer darf georgischer Wein wieder nach Russland importiert werden. Zum Politikum wurde der Weinimport auch bei der Republik Moldau. Als diese sich 2006 ebenfalls stärker nach Westen auszurichten begann, reagierte Moskau auch mit einem Importverbot für moldawische Weine. Zwar wurde dieses ein Jahr später bereits wieder aufgehoben; doch nachdem das Parlament der Republik Moldau vor Kurzem das Assoziierungsabkommen mit der EU ratifizierte, verhängte Moskau erneut ein Importverbot, dieses Mal für Fleischprodukte, Früchte und Gemüse.

WTO: Politik nicht erlaubt

Wie die vergangenen Monate gezeigt haben, hat auch der Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO im August 2012 Russlands Handelspolitik nicht wesentlich entpolitisiert. Insbesondere auf die Assoziierungsabkommen, welche die Ukraine, die Republik Moldau und Georgien mit Brüssel unterschrieben haben, hat der Kreml scharf reagiert. Bereits vor einem Jahr drohte Moskau Kiew mit Importverboten, zeitweilig durfte Schokolade der Marke Roshen, die dem ukrainischen Präsidenten Pedro Poroschenko gehört, unter dem Vorwand karzinogener Inhaltsstoffe nicht eingeführt werden. Als WTO-Mitglied hat Russland ein Anrecht auf strenge Kontrolle importierter Lebensmitteln, Importverbote aus politischen Gründen sind jedoch innerhalb der WTO nicht erlaubt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2014)

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