Buenos Aires: Die große Wut auf die USA

ARGENTINA KIRCHNER
ARGENTINA KIRCHNER(c) David Fern�ndez / EPA / pictured (David Fern�ndez)
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In Argentinien ist klar, wer am Zahlungsausfall schuld ist. Ein letzter Kompromissversuch am Mittwoch scheiterte.

Buenos Aires. War's das jetzt? Als Buenos Aires am Donnerstag im Nieselregen erwachte, war die Stadt die Weltmetropole aller Ungereimtheiten. Ist Argentinien am Mittwoch tatsächlich zum achten Mal in seiner Geschichte pleitegegangen?

Bedeutet das Ende der Gespräche tatsächlich das Ende aller Kompromissmöglichkeiten? Ist der Vorstoß eines Bankenkonsortiums, den Fonds die Papiere abzukaufen, wirklich gescheitert? Wird Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner ihre Bürger davon überzeugen können, dass die großen Probleme, die dem Land in den kommenden Monaten bevorstehen, allein die Schuld des US-Richters Thomas Griesa sind?

Kirchners Kabinettschef, Jorge Capitanich, ließ am Donnerstagmorgen keine Zweifel, wer nach Ansicht der Regierung die Verantwortung trage: „Hier gab es einen verwirrten Richter, der im Dienst der ,Geierfonds‘ stand, einen Schlichter, der für die ,Geier‘ arbeitete und ein Justizsystem, das von den ,Geiern‘ unterwandert ist – von welcher Unabhängigkeit sollen wir dann reden? Hier gibt es eine Verantwortung der USA!“

Letzter Vorstoß Argentiniens

Capitanich galt bislang nicht als Taliban der Regierung. Tatsächlich hatte er gemeinsam mit dem Zentralbankchef, Carlos Fábrega, den Vorstoß der argentinischen Banken begleitet. Der argentinische Bankenverband schickte am Dienstag einen Spitzenmanager der Privatbank Macro nach New York, um den Hedgefonds deren Anteile abzukaufen. Dann wollte man den Richter bitten, die Sperre des Schuldendienstes aufzuheben.

Der Plan war, diese Papiere bis zum Jahresende aufzubewahren und sie dann im neuen Jahr gegen frische, langlaufende Staatsanleihen zu tauschen. Von zentraler Bedeutung ist dabei das Datum. Bis zum 31. 12. 14 gilt die Klausel Rufo, die es der argentinischen Regierung verbietet, ein besseres Angebot an Bondholder zu machen als jene 35 Prozent, die in den beiden Umschuldungen 2005 und 2010 von 92,4 Prozent der Gläubiger akzeptiert worden waren. Cristina Kirchner und ihr junger Wirtschaftsminister, Axel Kicillof, fürchten, dass sich unter den umgeschuldeten Gläubigern weitere „Geier“ befinden. Und dass diese sofort zu Gericht ziehen werden, sobald das Land mehr offeriert als eben jene 35 Prozent.

Dass Argentiniens Gläubiger nun die eigentlich schon Ende Juni fälligen Zinszahlungen nicht bekommen werden, sei nicht die Schuld seines Landes, argumentierte Kicillof nach dem Scheitern der Schlichtungsgespräche. „Argentinien hat gezahlt. Und Argentinien wird auch weiter zahlen. Das ist kein Default“, wiederholte der Minster die Argumentation seiner Präsidentin. Tatsächlich hat das Land am 26. Juni einen Betrag von 539 Millionen Dollar auf ein Konto der Bank of New York überwiesen. Aber dessen Auszahlung wurde vom New Yorker Richter Thomas Griesa verzögert. Er gab dem Land 30 Tage Verlängerung. Und die ist nun um.

Argentinien brauchte ein wenig, um das zu begreifen. Das Gerücht über den Bankendeal hatte am Mittwoch die Fantasie der Spekulanten befeuert. Doch am Donnerstag stürzten die Kurse wieder ab. An der Wall Street wurden argentinische Bonds am Donnerstagmorgen mit Kursabschlägen von 20 Prozent gehandelt, auch die Papiere der verstaatlichten Ölgesellschaft YPF fielen im vorbörslichen Handel.

Allerdings sind noch nicht alle Hoffnungen aufgegeben. In Argentiniens Medien halten sich hartnäckig die Berichte über weitere Verhandlungen von privaten Gruppen mit den Hedgefonds. Nach Angaben des Finanzblattes „Ambito Financiero“ sei nach dem kompromisslosen Auftritt Kicillofs der Emissär der argentinischen Banken abgereist. Doch nun versuche eine Kommission aus internationalen Banken und Unternehmen, den Hedgefonds deren Titel abzukaufen, um das Verfahren doch noch auf Eis zu legen und so die Auszahlung des argentinischen Schuldendienstes zu ermöglichen. Die Banken hätten guten Grund dazu, denn sie besitzen den Großteil der umgeschuldeten Papiere, die nach einem Default nichts mehr abwerfen würden.

Neue Klagen drohen nun

Wirklich pleite ist Argentinien nicht, denn die Zentralbank hat immer noch 28 Milliarden Dollar an Währungsreserven. Anders als beim Staatsbankrott 2001 ist die strittige Summe winzig, etwa 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Weil die Ratingagenturen nun aber den Default ausriefen, muss sich Argentinien auf neue Prozesse gefasst machen. Da sind zum einen die über 200 Klagen jener Altgläubiger, die sich nicht auf den Schuldenschnitt einließen. Diese werden nun der Rechtskraft des „Geier“-Urteils folgen wollen. Tatsächlich stiegen die Altbonds jüngst massiv im Wert. Aber womöglich werden auch Besitzer von umgeschuldeten Anleihen vor Gericht ziehen, wenn sie nun ihre Zinsen nicht mehr bekommen. Es könnte allerdings auch noch zu einem Kompromiss kommen: Richter Griesa bestellte beide Parteien für Freitag noch einmal zu sich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2014)

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