Russisches Säbelrasseln begleitet die georgische Parlamentswahl

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Der Urnengang am Dienstag ist entscheidend für das internationale Ansehen Georgiens, das zum Missfallen Moskaus konsequent in die Nato drängt.

Wien/TIFLIS. Es ist keine Parlamentswahl unter „normalen“ Umständen, die da morgen, Mittwoch, in der Südkaukasus-Republik Georgien abläuft: Von Russland her, dem großen Nachbarn im Norden, begleitet kräftiges Säbelrasseln den Urnengang. Im Innern schimpft die Opposition unaufhörlich gegen die „autoritären Tendenzen“ der Regierenden, Präsident Michail Saakaschwili und seine „Vereinte Nationale Bewegung“. Über tausend Beobachter aus dem In- und Ausland überwachen die Wahl; 400 schickt allein die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Im Vorfeld der Wahlen haben die Spannungen zwischen Russland und Georgien bedenklich zugenommen. Seit Mitte April hat Moskau seine Beziehungen mit den Behörden der abtrünnigen georgischen Landesteile Abchasien und Südossetien institutionalisiert und seine Bereitschaft erklärt, die separatistischen Regionen im Falle eines georgischen Angriffs zu verteidigen. Zugleich wurde das russische Militärkontingent in Abchasien aufgestockt und georgische Aufklärungsdrohnen abgeschossen.

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Ende vergangener Woche behauptete der Inlandsgeheimdienst FSB, in Tschetschenien habe sich ein georgischer Agent im russischen Spionageabwehrnetz verfangen. „Das beweist die Beteiligung georgischer Spezialkräfte an subversiven terroristischen Aktivitäten im Nordkaukasus“, hieß es.

Politische Beobachter sehen das russische Säbelrasseln vor allem vor dem Hintergrund der Bestrebungen Georgiens, Mitglied der Nato zu werden. Anfang April, beim Nato-Gipfel in Bukarest, verhinderten europäische Allianz-Staaten, allen voran Deutschland und Frankreich, dass Georgien (und der Ukraine) – wie von US-Präsident George W. Bush gewünscht – die Tür zum Beitritt durch Aufnahme in den Mitgliedschaft-Aktionsplan (MAP) geöffnet wird. Schon im Dezember aber sollen die Nato-Außenminister diese Frage erneut beraten.

Russland versuche nun, so argumentieren Kaukasus-Experten, Georgien gezielt zu destabilisieren und es zu einer Militäraktion zu provozieren. Dann wäre Tiflis vor aller Welt diskreditiert und seine Nato-Pläne endgültig auf die lange Bank geschoben.

Weggefährten setzen sich ab

Gerade die ungelösten Territorialfragen Abchasien und Südossetien, aber auch demokratiepolitische Defizite (Saakaschwili hatte im November 2007 Protestdemonstrationen gewaltsam auflösen lassen und einen oppositionellen TV-Sender geschlossen) waren die Hauptgründe für Deutsche und Franzosen gewesen, für Georgien die Nato-Tür noch versperrt zu halten.

Präsident Saakaschwili gilt als arrogant, kritikresistent, impulsiv. Zuletzt hat sich seine langjährige Weggefährtin, die auch international hoch angesehene Parlamentschefin Nino Burdschanadse, aus der Präsidentenpartei verabschiedet. Sie ist nur eine von vielen Getreuen, die mit Saakaschwili gebrochen haben. Dennoch dürfte seine „Vereinigte Nationale Bewegung“ im 150-sitzigen Parlament stärkste Partei bleiben, wenn sie auch sicher nicht mehr die Zweidrittelmehrheit schafft wie noch im März 2004.

Das Problem der Opposition ist, dass sie zersplittert ist und keine charismatische Führerfigur in ihren Reihen hat. Umso lauter ist ihre Kritik an den Machthabern wegen Unterdrückung der Opposition, Manipulierung der Medien und Einschüchterungsversuchen. Der Chef der neun Parteien umfassenden „Vereinten Opposition“, Lewan Gatschetschiladse, drohte bereits mit einem „revolutionären Sturz des Saakaschwili-Regimes“, sollte es morgen zu Wahlfälschungen kommen.

Neben der Regierungspartei und der „Vereinten Opposition“ treten noch zehn weitere Parteien und Blöcke bei der Parlamentswahl an. Es gilt eine Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament. Die Macht in Georgien liegt in den Händen des Präsidenten, das Parlament entscheidet jedoch über Budgetfragen.

Völlig sauber ist der Wahlkampf nicht gelaufen, wie OSZE-Wahlbeobachter vergangene Woche festhielten: „Es konnten etliche Anschuldigungen über Einschüchterungsmaßnahmen festgestellt werden.“ Dabei hatte die Parlamentarische Versammlung des Europarats Georgien bereits im April gewarnt: „Der demokratische Ablauf der Parlamentswahl in Georgien ist entscheidend, um das öffentliche Vertrauen in den demokratischen Prozess wieder herzustellen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2008)

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