Nato befürchtet Einmarsch Russlands in Ostukraine

Ein Kampfflugzeug der ukrainischen Streitkräfte bei der Landung
Ein Kampfflugzeug der ukrainischen Streitkräfte bei der LandungAPA/EPA/SERGEY POPSUEVICH
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20.000 russische Soldaten seien im Grenzgebiet stationiert, warnt die Nato. Russland spricht von "Irreführung der Weltöffentlichkeit".

Nach Polen und den USA hat sich auch die NATO besorgt über einen möglichen Einmarsch russischer Truppen im Osten der Ukraine gezeigt. Das Land habe rund 20.000 Soldaten im Grenzgebiet stationiert, hieß es in einer Aussendung des Verteidigungsbündnisses am Mittwoch. Die USA sprachen zuletzt von 10.000 russische Soldaten an der Grenze, die ukranische Regierung von 45.000.

Die Nato ist jedenfalls besorgt, Moskau könnte "eine humanitäre oder eine Friedensmission als Vorwand nutzen, um Truppen in die Ostukraine zu senden." Bereits zuvor hatte die New York Times unter Berufung auf westliche Regierungsvertreter berichtet, Russlands "gefechtsbereite Streitmacht" könne mit wenig Vorwarnung an der Grenze aktiv werden.

Die Verstärkung der russischen Präsenz im Grenzgebiet trage weiter zur Eskalation der Situation bei und untergrabe die Bemühungen einen diplomatischen Ausweg aus der Krise zu finden, erklärte nun Nato-Sprecherin Oana Lungescu weiter. "Es handelt sich um eine gefährliche Situation."

Russland hat den Vorwurf einer Truppenkonzentration mit Nachdruck zurückgewiesen. Die jüngsten Behauptungen der USA und der Nato seien eine "Irreführung der Weltöffentlichkeit", teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge mit.

"Wir haben Mitleid mit den Pressesprechern, die immer wieder zu solchen Vorwürfen gezwungen werden", sagte Generalmajor Igor Konaschenkow. Die Behauptungen würden "platzen wie Seifenblasen". "Die USA sprechen von 10.000 Soldaten, die Nato spricht gar von 20.000. Das wäre den OSZE-Beobachtern in der Region kaum entgangen", sagte Konaschenkow.

Zivilisten bei Luftwaffen-Angriff getötet

Die ukrainische Luftwaffe hat unterdessen in der Nacht auf Mittwoch offenbar erstmals die Rebellenhochburg Donezk angegriffen. Dies teilte die Stadtverwaltung mit. Deren Angaben, dass es dabei keine Opfer gegeben, habe, erwiesen sich als falsch: Wie zu Mittag bekannt wurde,   sind bei den Angriffen mindestens drei Zivilisten getötet worden. Die ostukrainische Millionenstadt ist der wichtigste Hort der pro-russischen Separatisten. Wie ein Korrespondent des "Spiegel" berichtete, feuerten die Maschinen im Tiefflug mehrere Raketen ab. Laut der Nachrichtenagentur AFP hat ein Geschoss einen vier Meter breiten und eineinhalb Meter tiefen Krater in einer Straße hinterlassen.

Auch die Bodenkämpfe gingen mit unverminderter Härte weiter: Nach Angaben der ukrainischen Armee wurden binnen 24 Stunden im Osten des Landes 18 Soldaten getötet und 54 verletzt. Auch in der ostukrainischen Stadt Gorlowka berichteten die Behörden von einer steigenden Anzahl von Toten. In den vergangenen Tagen seien bei Artilleriebeschuss 33 Zivilisten getötet und 129 verletzt worden, hieß es. In mehreren Vierteln sei die Gas- und Wasserversorgung ausgefallen.

Moskau: Kiew setzt Phosphorbomben ein

Moskau warf der ukrainischen Führung erneut den Einsatz von Phosphorbomben gegen Zivilisten vor: „Eine Bodenprobe hat ergeben, dass die Armee in der Nähe von Slawjansk die verbotenen Brandgeschosse verwendet hat“, sagte der Sprecher der russischen Ermittlungsbehörde am Mittwoch in Moskau. Der Einsatz sei ein klarer Verstoß gegen das Genfer Abkommen und ein „Kriegsverbrechen". Die russischen Behörden bezogen sich auch auf Berichte ukrainischer Flüchtlinge. Die prowestliche Führung in Kiew hatte die Vorwürfe wiederholt als „Verleumdung“ zurückgewiesen.

Die humanitäre Situation in der umkämpften Ostukraine verschlechtert sich derweil nach Angaben der Vereinten Nationen von Tag zu Tag. "Wir sprechen von 3,9 Millionen Menschen, die in einer von der Gewalt heimgesuchten Region leben", sagte John Ging vom Nothilfebüro der UNO am Dienstag in New York in einer Sondersitzung des Sicherheitsrates.

"Die Infrastruktur ist zerstört, Strom gibt es kaum und Wasser nur ein paar Stunden am Tag", betonte der UNO-Experte Jeden Tag würden etwa 1000 Menschen aus dem Kampfgebiet fliehen. Seit Beginn des Konflikts seien 1376 Menschen getötet worden, mehr als 4000 seien verletzt.

"Es ist ein echter Krieg"

"Es ist ein echter Krieg", sagte Russlands UNO-Botschafter Vitali Tschurkin, der die Dringlichkeitssitzung gefordert hatte. "Trotz internationaler Abkommen setzt Kiew seine Militäreinsätze fort. Wohngebiete werden beschossen und es werden sogar Kassettenbomben eingesetzt." Tschurkin sagte, Russland habe 800.000 Flüchtlinge aufgenommen. Laut UNO sind es allerdings 168.000.

Ein Vertreter der Ukraine sagte, Russlands Forderung nach der Sondersitzung sei an Zynismus nicht zu überbieten. "Sie sind es, die unser Land destabilisieren. Keines dieser Probleme würde bestehen, wenn Sie sich nicht in die Angelegenheiten eines souveränen Landes einmischen würden."

USA werfen Russland Heuchelei vor

Die USA warfen Russland Heuchelei vor. "Russland kann das alles beenden", sagte Vize-Botschafterin Rosemary DiCarlo. "Die Gewalt endet an dem Tag, an dem Russland seine Hilfe für die Aufständischen einstellt." Moskau müsse die Ukraine respektieren und die Besetzung der Krim beenden, sagte sie. "Und Russland muss endlich mit der Destabilisierung der Ostukraine aufhören."

Trotz der Gefechte in der Ostukraine setzten internationale Experten ihre Arbeit am Absturzort des malaysischen Flugzeugs MH17 fort. An dem riesigen Trümmerfeld bei Grabowo seien etwa 110 Helfer aus den Niederlanden, Australien und Malaysia eingetroffen, teilte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit. Die Experten suchen nach Leichenteilen und privaten Gegenständen der 298 Opfer.

Putin droht mit Sanktionen

Kremlchef Wladimir Putin drohte mit einer Reaktion auf die Sanktionen der EU und der USA gegen Russland im Ukraine-Konflikt. Die Antwort müsse angemessen sein. Sie dürfe nicht den russischen Verbrauchern oder Unternehmen schaden, sagte Putin der Agentur Interfax zufolge am Dienstag in Woronesch rund 500 Kilometer südlich von Moskau. Die EU und die USA hatten Sanktionen verhängt, weil sie Russland die Schuld an der Gewalteskalation in der Ukraine geben.

(APA/DPA/AFP)

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