Jihadisten erobern größte Christen-Stadt im Irak

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Die Extremisten des "Islamischen Staats" nahmen eine Reihe christlich dominierter Orte ein, darunter auch Karakosh. "Es ist eine Katastrophe", sagt der Erzbischof. 100.000 Christen sind auf der Flucht.

Jihadisten haben laut Augenzeugen die größte christliche Stadt im Irak übernommen. Kurdische Truppen hätten sich in der Nacht aus dem nördlichen Karakosh und umliegenden Gegenden zurückgezogen, sagten Bewohner auf der Flucht sowie christliche Geistliche am Donnerstag. Die Gebiete stünden nun unter der Kontrolle der militanten Kämpfer der Gruppe Islamischer Staat (IS). Das bestätigte mittlerweile auch der Erzbischof von Kirkuk und Sulaimaniya, Joseph Thomas. Am Donnerstagnachmittag sind Augenzeugen zufolge zudem zwei Autobomben explodiert, neun Menschen sollen getötet worden sein.

Unterdessen hat Papst Franziskus die Internationale Staatengemeinschaft in einem flammenden Appell zu einem verstärkten Einsatz im Nordirak aufgerufen. Dem humanitären Drama müsse ein Ende bereitet werden. Von dem Konflikt seien eine wehrlose Bevölkerung und vor allem christliche Gemeinschaften betroffen.

"Es ist eine Katastrophe"

Die Terroristen nahmen neben Karakosh auch die ebenfalls christlich dominierten Orte Tall Kayf, Bartella und Karemlesh ein, sagte Thomas der Nachrichtenagentur AFP. "Es ist eine Katastrophe, eine tragische Situation. Wir rufen den UN-Sicherheitsrat auf, sofort einzuschreiten", so Erzbischof Thomas.

Der christlich-chaldäische Patriarch Louis Sako sagte am Donnerstag, 100.000 Christen seien auf der Flucht vor den vorrückenden Jihadisten. Die Kämpfer der Terrorgruppe Islamischer Staat IS hätten Kirchen besetzt, Kreuze abgenommen und religiöse Schriften verbrannt. Viele der Flüchtlinge seien zu Fuß und ohne jede Habe in die Kurdenregion im Norden des Landes geflohen. Es handle sich um eine "humanitäre Katastrophe", so Sako.

Karakosh liegt zwischen Mossul, der IS-Operationsbasis und dem kurdischen Kirkuk. Die Stadt zählt rund 50.000 Einwohner. Bereits vor Wochen war Karakosh Ziel eines Mörserangriffs. Bis zu 15.000 Menschen flüchteten damals in das Christenviertel Ankawa des kurdischen Erbil. Doch die meisten von ihnen sind später wieder zurückgekehrt.

Wie Karakosh wurde auch die mehrheitlich christliche Ortschaft Tall Kayf in der Nacht auf Donnerstag von IS eingenommen. Die Radikalislamisten hätten die dort stationierten kurdischen Soldaten vertrieben, berichtete ein geflohener Bewohner der Nachrichtenagentur dpa. Die meisten Familien seien daraufhin in die zum kurdischen Autonomiegebiet gehörende nördliche Provinz Dohuk geflohen. Damit sind die vor allem von Christen bewohnte Gebiete rund um Mossul in Hand der jihadistischen Terrorgruppe.

Nächster Rückschlag für IS-Gegner

Die jüngsten IS-Eroberungen sind ein schwerer Rückschlag im Kampf gegen die Radikalislamisten. Nach massiven Geländegewinnen der IS am Wochenende hatten sich zuletzt Kurden und die Regierung in Bagdad zu einer Gegenoffensive zusammengetan. Iraks umstrittener Ministerpräsident Nuri al-Maliki hat die Luftwaffe angewiesen, die kurdischen Kämpfer zu unterstützen.

Jesiden auf der Flucht

Unterdessen sind Hunderte Jesiden sind vor der Terrorgruppe über die Grenze in die Türkei geflohen, wie ein türkischer Behördervertreter angab. Bisher seien rund 400 Flüchtlinge betroffen, sie würden in der grenznahen Stadt Silopi untergebracht. Noch würden zahlreiche Familien, die in langen Märschen ohne Wasser und Essen geflohen waren, an der Grenze warten.

Die Kurdisch sprechende Minderheit praktiziert eine vorislamische Religion, die teilweise auf dem altpersischen Kult des Zoroastrismus basiert. Unter den Jihadisten, denen sie als "Teufelsanbeter" gelten, droht den Jesiden ebenso wie anderen religiösen Minderheiten Gewalt und Vertreibung. UN-Angaben zufolge sind in den vergangenen Tagen rund 200.000 vor den IS-Kämpfern geflohen.

(APA/AFP/dpa/Red.)

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