Eskalation auf dem Maidan: Polizisten gegen Aktivisten

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Die verbliebenen Demonstranten in Kiew wollen ihr Zeltlager nicht räumen und zündeten Barrikaden an.

Kiew/WienÜber demselben Platz, auf dem sich im Jänner Polizisten und Demonstranten blutige Straßenschlachten geliefert hatten, stand gestern wieder eine Rauchwolke. Im Zentrum Kiews, auf dem seit Monaten von Demonstranten besetzten Maidan (Unabhängigkeitsplatz), kam es erneut zu schweren Bränden und Zusammenstößen. Etwa 300 städtische Mitarbeiter hatten versucht, die seit Dezember 2013 bestehenden Barrikaden zu räumen. Die verbliebenen Bewohner des Zeltlagers zündeten aus Protest dagegen Reifen an und warfen Brandsätze. Zahlreiche Mitarbeiter wurden verletzt. Ein Sprecher der Stadtverwaltung sagte, Bürgermeister Vitali Klitschko habe keinen Befehl zur Räumung gegeben.

Separatisten schossen Kampfjet ab

Nach dem Sturz des früheren Präsidenten Viktor Janukowitsch im Februar sieht die neue proeuropäische Regierung unter Präsident Petro Poroschenko den Dauerprotest als überflüssig an. Auch viele Bürger sprechen sich für einen Abbau der Zeltstadt aus - vor allem seit sich Berichte über Überfälle, und betrunkene Demonstranten gehäuft haben. Doch diejenigen, die noch auf dem Maidan campieren, wollen nicht weichen. Sie sehen sich mit Stolz als „wahre" Kontrollinstanz und vertrauen der Regierung nicht.

Die pro-russischen Separatisten im Osten des Landes schossen unterdessen ein weiteres Kampfflugzeug der Armee ab. Die Regierung bestätigte den Vorfall und gab an, der Pilot habe sich retten können. Am 17. Juli war in dem Gebiet ein malaysischer Passagierjet mit 298 Menschen an Bord abgeschossen worden. Die Regierung setzte am Donnerstag die Waffenruhe rund um den Absturzort aus, und zwar solange, bis die internationale Untersuchungskommission ihre Arbeit wieder aufnehmen könne. Diese war tags zuvor wegen der anhaltenden Kämpfe unterbrochen worden.

Bei Angriffen am Stadtrand von Donezk in der Ostukraine sind in der Nacht auf Donnerstag drei Zivilisten getötet worden. Auch in Donezk wurde ein Mensch getötet und zwei weitere verletzt, als eine Granate ein Krankenhaus traf. Beobachter der OSZE fanden in dem Donezker Bezirk, wo Dienstagnacht die ukrainische Armee Luftschläge durchgeführt haben soll, eine nicht explodierte Bombe. Es ist eine Fliegerbombe des Typs OFAB100. Die ukrainische Armee hatte zuvor Luftschläge auf Donezk dementiert.

Nato-Chef Rasmussen warnt Russland

Überraschend trat in der Stadt am frühen Abend der Premier der „Volksrepublik Donezk zurück, der Russe Alexander Borodaj. Er wurde durch einen gebürtigen Donezker mit Namen Alexander Sachartschenko ersetzt.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat derweil in deutlichen Worten an Russland appelliert, seine Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen und keinen Krieg zu riskieren. Die Regierung in Moskau solle nicht Kriegsvorbereitungen als friedenserhaltende Maßnahmen rechtfertigen, sagte er am Donnerstag in Kiew.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2014)

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