Kurden melden erste Erfolge gegen Jihadisten

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Die Orte Gwer und Makhmour seien bereits zurückerobert und 20.000 jezidische Flüchtlinge gerettet worden.

Unter der Deckung von US-Luftangriffen auf die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) haben kurdische Soldaten und Milizen ihre Angriffe auf die Jihadisten verstärkt. Zwei Orte seien bereits zurückerobert worden, berichtete ein kurdischer Regierungsvertreter am Sonntag. Übereinstimmenden Berichten zufolge wurden mindestens 20.000 yezidische (jesidische) Flüchtlinge gerettet.

Die IS sei aus Gwer und Makhmour vertrieben worden, sagte der kurdische Regierungsvertreter am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters. Allerdings werde es noch dauern, bis die Wende in dem Konflikt erreicht sei. Das US-Zentralkommando in Tampa (Florida) gab bekannt, dass am Sonntag fünf weitere Luftschläge durchgeführt worden seien, "um kurdische Truppen nahe Erbil zu verteidigen". Allerdings zogen die USA wegen des IS-Vormarsches einige Mitarbeiter aus ihrem Konsulat in Erbil ab.

"Wir werden unseren eigenen Krieg führen"

Der kurdische Präsident Massud Barzani ersuchte unterdessen um Waffenlieferungen. "Wir bitten unsere Freunde, uns zu unterstützen und die notwendigen Waffen zur Verfügung zu stellen, um diese terroristischen Gruppen zu besiegen", zitiert das kurdische Nachrichtenportal Rudaw Barzani am Sonntag in Erbil. Barzani betonte, dass die Verbündeten nicht für die Kurden kämpfen müssten. "Wir werden unseren eigenen Krieg führen."

Enttäuscht vom beschränkten Umfang der US-Intervention zeigte sich unterdessen das geistliche Oberhaupt der Christen im Irak, Patriarch Louis Sako. Die Haltung von US-Präsident Barack Obama, lediglich militärische Hilfe zum Schutz der Kurden-Hauptstadt Erbil zu leisten, sei enttäuschend, schrieb der chaldäische Patriarch in einem am Sonntag veröffentlichten offenen Brief. Damit gebe es wenig Hoffnung, dass die Jihadisten-Gruppe Islamischer Staat (IS) besiegt werden und die von der Terrormiliz Vertriebenen zurückkehren könnten.

Warnung vor einem Massensterben

Im Irak hatte sich die Lage nach dem Vormarsch der IS-Extremisten in Gebieten nördlich und westlich der Stadt Mossul - wo zahlreiche Vertreter religiöser Minderheiten leben - vor einer Woche verschärft. Nach UNO-Angaben sind dort allein seit dem vergangenen Montag rund 200.000 Menschen vor den vordringenden IS-Kämpfern geflohen. Die meisten stammten aus christlichen und yezidischen Dörfern. Bis zu 55.000 Yeziden waren am Wochenende bei brütender Hitze im Sinjar-Gebirge eingeschlossen.

Ein Vertreter der autonomen Kurdenregierung berichtet, etwa 30.000 Flüchtlinge seien von kurdischen Kämpfern wieder zurück in den Irak eskortiert worden, nachdem sie zunächst nach Syrien geflüchtet waren. Die yezidische Parlamentsabgeordnete Vian Dakhil sagte: "20.000 bis 30.000 gelang es zu fliehen, aber noch immer sind tausende auf dem Berg." Der Weg herunter ins Tal sei weiter riskant. Internationale Hilfsorganisationen bestätigten, dass mehrere tausend Überlebende gerettet worden seien

Die yezidische Parlamentsabgeordnete Dakhil warnte nach Angaben des kurdischen Nachrichtenportals Basnews vor einem Massensterben, sollten die Flüchtlinge nicht innerhalb von zwei Tagen in Sicherheit gebracht werden. Ihren Angaben nach starben bereits 50 yezidische Kinder in den Bergen.

"Verbrechen gegen die Menschlichkeit"

Die irakische Regierung warf den Jihadisten Gräueltaten an den Minderheitenangehörigen vor. Yeziden seien lebendig in Massengräbern begraben worden, darunter auch Kinder, sagte der irakische Minister für Menschenrechte, Mohammed Shia al-Sudani, am Sonntag. Mindestens 500 Jesiden seien zudem getötet sowie etwa 300 Frauen versklavt worden, sagte Sudani der Nachrichtenagentur Reuters.

EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton verurteilte das Treiben der Jihadisten als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Die Vorwürfe müssten schnell untersucht werden, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können, erklärte Ashton am Sonntag.

In Deutschland wurde der Ruf nach der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Krisenregion laut. Den "um ihr Leben rennenden Menschen" müsse vorübergehend Zuflucht gegeben werden, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Norbert Röttgen, der "Welt am Sonntag". Außenminister Frank-Walter Steinmeier gab eine Erhöhung der humanitären Hilfe auf 11,5 Millionen Euro bekannt. Der Vorsitzende des Geheimdienstes BND, August Hanning, forderte Waffenlieferungen für die den IS-Kämpfern unterlegenen Kurden.

USA-Einsatz ist begrenzt

Obama bekräftigte am Wochenende, dass der Militäreinsatz der USA begrenzt sei und keine Bodentruppen in den Irak zurückkehren würden. Zugleich mahnte er die Iraker, die Krise politisch zu lösen.

Das irakische Parlament kam aber in Sachen Regierungsbildung auch am Sonntag nicht voran. Im Ringen um eine Stabilisierung des Irak sind die USA am Sonntag weiter von Premier Nuri al-Maliki abgerückt. In einem sich abzeichnenden Machtkampf zwischen dem Regierungschef und Präsident Fuad Masoum stellten die USA sich klar hinter das Staatsoberhaupt. Zugleich drang Washington erneut auf die Bildung einer Regierung in Bagdad, die alle religiösen und gesellschaftlichen Gruppen vertritt.

Machtprobe zwischen Maliki und Masoum

An der politischen Front bahnte sich unterdessen jedoch ein möglicherweise explosiver Machtkampf zwischen dem irakischen Premier Nuri al-Maliki und Staatspräsident Fuad Masoum an.

Al-Maliki hatte am Sonntag eine Klage wegen Verfassungsverstoßes gegen Masoum angekündigt, weil dieser ihn nicht zum Ministerpräsidenten ernannt habe. Der Schiit, dem eine systematische Benachteiligung der Sunniten im Land angelastet wird, hatte zwar mit seiner Partei die Parlamentswahl im April gewonnen, aber keine ausreichende Mehrheit für eine Regierungsbildung erreicht. Er hält trotzdem an seinem Posten fest.

Al-Maliki wird angelastet, die Sunniten im Irak systematisch benachteiligt und ausgeschlossen zu haben. Sie würden dadurch den IS-Kämpfern in die Arme getrieben.

(APA/dpa/Reuters/AFP)

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