Nordirak: „Die Menschen erwarten die Hilfe der EU"

(c) Mirza Dinnayi
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Michel Reimon, EU-Abgeordneter der österreichischen Grünen, ist in der Kurdenregion unterwegs. Er verlangt humanitäre und politische Unterstützung durch Europa und erklärt, warum der Kampf gegen IS so schwierig ist.

Die Autofahrt von der Hubschrauber-Basis zurück nach Erbil, die Hauptstadt der autonomen Kurdenregion, dauerte sechs Stunden. „Wir kamen dabei pausenlos an Flüchtlingen vorbei. Sie saßen am Straßenrand und wussten nicht wohin", erzählt Michel Reimon im Telefongespräch mit der „Presse".

Der EU-Abgeordnete der Grünen hatte zuvor einen Hilfsflug der irakischen Armee mit einem Helikopter zu den yezidischen Flüchtlingen im Sinjar-Gebirge begleitet - organisiert vom Yeziden-Vertreter Mirza Dinnayi, der bei vielen dieser Flüge dabei ist (die „Presse" berichtete). Etwa 50.000 Yeziden sitzen nach wie vor ohne ausreichende Versorgung in den Bergen fest. Sie haben sich dorthin zurückgezogen, um nicht den Kämpfern der Extremistenorganisation „Islamischen Staates" (IS) in die Hände zu fallen.

1,5 Millionen Flüchtlinge

„In der autonomen Kurdenregion leben derzeit etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge und intern Vertriebene. Und das bei etwa sechs Millionen Einwohnern", sagt Reimon. Zu Vertriebenen aus anderen Teilen des Irak und Flüchtlingen aus Syrien kommen jetzt zehntausende Menschen, die wegen der jüngste Vorstöße des IS ihre Dörfer verlassen mussten.

Reimon fordert rasche humanitäre Hilfe durch die europäischen Staaten. Von Österreichs Außenamt verlangte er bereits am Montagabend, Direkthilfe für Kurdistan freizugeben. „Hier vor Ort sind große Organisationen wie Caritas und Roter Halbmond aktiv, die die humanitäre Hilfe verteilen können." Der EU-Abgeordnete, der bei den europäischen Grünen unter anderem für Syrien und Irak zuständig ist, ist seit Ende vergangener Woche im Nordirak unterwegs. Begleitet wurde er dabei von Senol Akkilic, dem Landtagsabgeordneten der Wiener Grünen, der die Reise mitorganisiert hat. Akkilic hat selbst kurdische Wurzeln.

Für Reimon sollte die EU aber nicht nur bei rascher humanitärer Hilfe eine Rolle spielen. „Ein turkmenischer Politiker hat mir gesagt: Wir schauen in Richtung EU. Eure Völker haben einander jahrhundertelang bekämpft und jetzt löst ihr eure Konflikte mit politischen Mitteln." Europa müsse die Iraker dabei beraten, wie sie ihre internen Konflikte friedlich lösen können. „Die Hilfestellung der Union wird dabei aktiv nachgefragt. Die Menschen erwarten die Hilfe der EU."

Gemeinsamer äußerer Feind

Gerade jetzt sei der Moment dafür günstig, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Volksgruppen und Parteien im Irak und in Kurdistan zu schaffen. „Sie sagen, dass sie zum ersten Mal seit vielen Jahren mit dem Islamischen Staat einen äußeren Feind haben, der sie alle vernichten will. Einen Feind, der so stark ist, dass sie alle zusammenarbeiten müssen."

1000 Kilometer lange Front

Reimon konnte sich auch vor Ort ein Bild machen, wie schwierig der Kampf gegen IS ist. „Die Frontlinie zwischen Kurden und IS ist 1000 Kilometer lang. Die Kurden haben auf dieser gesamten Länge ihre Bevölkerung zu schützen, während IS überall punktuell zuschlagen kann." Der Islamische Staat könne jederzeit mit nur einigen hundert Kämpfern in ein Dorf gehen und die Einwohner terrorisieren. „Die Kurden müssen deshalb ihre Kräfte aufteilen und werden der Situation nicht Herr."

>>Video: Michel Reimon und die gefährliche Hilfsoperation für die Yeziden

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