Russische Rubel für die separatistische Sache

People attend a rally to support self-proclaimed republics of Donbass and Luhansk in Moscow
People attend a rally to support self-proclaimed republics of Donbass and Luhansk in Moscow(c) REUTERS (MAXIM ZMEYEV)
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In der Moskauer Vertretung der prorussischen Volksrepubliken sammelt man Geld – und schickt Kämpfer in den Donbass. Vom Kreml fühlen sich die Separatisten im Stich gelassen.

Moskau. Die Männer in Flecktarn stehen breitbeinig vor dem Eingang, fragen Neuankömmlinge bestimmt nach ihrem Ziel. Links von der Tür die russische Flagge, rechts hängt die schwarz-blau-rote der prorussischen Separatisten aus dem Donbass. Die Vertretung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk in Moskau befindet sich im Hinterhof eines mehrstöckigen Wohnhauses im Westen der russischen Hauptstadt. An diesem Vormittag hält sich der Ansturm in Grenzen. Ein Mann erkundigt sich, wie er Geld spenden kann; eine dreiköpfige Familie, die aus dem Gebiet Luhansk geflohen ist, sucht Unterstützung.

Drinnen im Erdgeschoss stapeln sich akkurat beschriftete Kisten mit Hilfsgütern. In einem Büro werden Medikamente, Insulin und Verbandsmaterial sortiert und verpackt. Alles wirkt hastig eingerichtet, improvisiert. Normalerweise befindet sich hier das Büro einer Moskauer Kosakenvereinigung, jetzt sitzen hier Unterstützer des großrussischen Projekts im Donbass und koordinieren die humanitäre Hilfe für die Ostukraine.

Verletzt „beim Nahkampf“

Im zentralen Raum, rund um einen großen Bürotisch, sitzen fünf Männer und eine Frau, Tee und Kaffee werden getrunken. Nicht nur die humanitäre Unterstützung ist Thema. Einer der Männer im Tarnanzug trägt einen Arm in einer Schlinge. „Beim Nahkampf“, wurde er Ende Mai in der Ostukraine verletzt. Er will so rasch wie möglich zurück, um den Kampf „gegen die Faschisten“ wiederaufzunehmen. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen, Fotografieren ist nicht erlaubt.

Die Menschen im Donbass erhalten Sachspenden, russische Unterstützer überweisen aber auch einfach Geld: „Wir haben Listen, auf denen steht, was gebraucht wird“, sagt Andrej, der aus Donezk nach Moskau gekommen ist. Der schmächtige junge Mann bezeichnet sich als Volksmilizionär. Auch er will so rasch wie möglich in die Region zurück, um zu kämpfen.

Der Nachschub aus Moskau in den Donbass wirkt gut organisiert. Mehrere Male pro Woche brechen Hilfstransporte aus Moskau in die Ukraine auf. Probleme beim Überqueren der Grenze gebe es keine, sagt ein weiterer Uniformierter, der sich als Alexej vorstellt. Hilfstransporte und Kämpfer fahren nach Rostow am Don. „Hier wird die Ladung neu aufgeteilt und an Rebellen aus der Ostkraine übergeben, die bereits in Rostow auf uns warten“, erzählt der gedrungene Mann, auf dessen Tarnanzug ein Abzeichen mit der Aufschrift Noworossija, Neurussland, zu sehen ist.

Danach fahren die Separatisten wieder retour über die russisch-ukrainische Grenze – ob über eine Landstraße oder doch einen Grenzübergang will niemand sagen. „Ich selbst reise auch bald wieder dorthin“, kündigt Alexej an, der bereits im Februar an der russischen Annexion der Krim teilgenommen hat. Er ist russischer Staatsbürger, seinen Heimatort will er nicht verraten.

Zu wenig Kreml-Unterstützung

Aussichten für einen Waffenstillstand oder gar eine friedliche Beilegung des bewaffneten Konflikts sind hier kein Thema: „In der Ostukraine werden immer noch Kinder getötet. Wie kann man mit so jemandem über einen Waffenstillstand verhandeln?“, fragt Julia, während sie Kohl für das Mittagessen hackt. Der Frage nach der Gewalt der Separatisten weicht die gebürtige Ukrainerin aus der Region Luhansk aus. „Ich bin hier viel zu beschäftigt und komme gar nicht dazu, Nachrichten im Fernsehen zu schauen.“ Hinter ihr steht eine tragbare Kochplatte, an der Wand hängt ein Poster, das die Einzelteile einer AK-47 und die zugehörige Munition erklärt, daneben eine Ikone mit der Muttergottes. An der gegenüberliegenden Wand Bilder des Heiligen Georg, des orthodoxen Patriarchen Kirill und – in viel kleinerer Ausführung – des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Vom Kreml fühlen sich die Separatisten im Stich gelassen: „Die russische Regierung unterstützt uns zu wenig“, behauptet Alexej. Die Oligarchen und reichen Leute in Moskau seien gegen den Krieg, sie fürchten um ihre Geschäfte wegen der EU-Sanktionen. Dagegen sei ihnen die Unterstützung der einfachen Leute auch vier Monate nach Ausbruch des bewaffneten Konflikts sicher: „Ihre Spenden nehmen nicht ab“, sagt er. Für Spenden steht ein Konto bei der Sberbank bereit, anonyme Beträge nehme man keine an. Die Bilanz wird zwar nicht veröffentlicht, liege aber bereits beim russischen Rechnungshof zur Kontrolle. Zumindest bei der Finanzierung geben die Separatisten vor, transparent zu sein.

HINTERGRUND

Die prorussischen Volksrepubliken im Donezker und Luhansker Gebiet haben eine Vertretung in der russischen Hauptstadt Moskau eingerichtet.

Von hier werden Sachspenden und Kämpfer in die Ostukraine transportiert. Auch über Webseiten und Telefonnummern funktioniert die Anwerbung von neuen Kämpfern. Ein Sammelpunkt für Freiwillige ist die südrussische Metropole Rostow am Don. Von hier gelangen die künftigen Kämpfer in Autos und Kleinbussen über die russisch-ukrainische Grenze.

Die Separatisten werden aus Russland mit Waffen versorgt. Jüngst hat Separatistenchef Alexander Sachartschenko gar von 1200 professionellen Kämpfern gesprochen, die man erwarte. Später hat er seine Worte widerrufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2014)

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