Terrorverdacht: Wie der Staat gegen Austro-Jihadisten vorgeht

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Die mutmaßlichen Jihadisten sollen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt werden. Ihnen drohen bis zu zehn Jahren Haft.

Wien. In Folge des Schlags gegen zehn Jihadisten, neun Tschetschenen und einen Österreicher türkischer Abstammung, beginnen nun die Mühlen der Justiz zu mahlen. Nach Beantragung der U-Haft für neun Personen - ein 17-Jähriger befindet sich wieder auf freiem Fuß - wurde der Ball am Donnerstag dem Haftrichter des Wr. Landesgerichts für Strafsachen zugespielt. Über vier der neun wurde am Donnerstag Untersuchungshaft verhängt. Im Falle der fünf weiteren Festgenommenen, die sich in der Justizanstalt in Klagenfurt befinden, wird am Freitagvormittag entschieden, ob ebenfalls U-Haft verhängt wird, teilte Gerichtssprecherin Christina Salzborn mit.

Die Staatsanwaltschaft Wien fuhr ihre schwersten Geschütze auf. Es liege dringender Tatverdacht in Richtung Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (Strafdrohung: ein bis zehn Jahre) vor. Die Anklagebehörde führte als Begründung ihres U-Haft-Antrags alle drei möglichen Gründe ins Treffen: Flucht-, Wiederholungs- und Verdunkelungsgefahr. Die Verdächtigen lebten in Wien. Sie wollten sich offenbar in Syrien kämpfenden Jihadisten anschließen. Die Gruppe, die sich am Montag auf zwei Fahrzeuge aufgeteilt hatte, war observiert und bei der versuchten Ausreise an den Grenzübergängen Arnoldstein (Kärnten) und Nickelsdorf (Burgenland) festgenommen worden.

Abschiebung in Russische Föderation?

Nun rauchen auch bei den Asylbehörden die Köpfe, da ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Mittwoch angekündigt hat, im Fall einer U-Haft auf die Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung der Asylberechtigung zu drängen. Alle Tschetschenen sind anerkannte Flüchtlinge.
Die Aberkennung des Asylstatus könnte nun gestützt auf das Asylgesetz über die Bühne gehen. Darin wird (§ 7, „Aberkennung des Status des Asylberechtigung") auf Asylausschlussgründe verwiesen. Unter diesen wiederum findet sich ein Verweis auf die Genfer Flüchtlingskonvention. Und dort wiederum heißt es, dass das Abkommen keine Anwendung findet, wenn die Annahme gerechtfertigt sei, bestimmte Personen hätten bestimmte Verbrechen (etwa ein „Verbrechen gegen den Frieden") begangen. Hier genügt also die Annahme einer Straftat.

Laut Asylgesetz ist eine Aberkennung des Asylstatus möglich, wenn jemand „aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik" darstellt oder „wegen eines besonders schweren Verbrechens (z. B. Raub, Mord, Terrorismus; Anm.) rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet". Bei den Entscheidungen im Einzelfall fließen aber auch individuelle Faktoren (Alter etc.) ein. Ob so eine Entscheidung mittels Abschiebung auch vollzogen werde, sagt Fremdenrechtsexperte Gerhard Muzak von der Uni Wien, hänge von den Umständen im Herkunftsland ab.

Doch scheint die Abschiebung der neun Kämpfer im Fall einer Verurteilung nicht ausgeschlossen. Tschetschenien ist nur ein kleiner Teil der Russischen Föderation. Zahlen zeigen, dass es Österreichs Asylbehörden für vertretbar halten, Personen, die in Tschetschenien mit Verfolgung zu rechnen hätten, in andere Regionen des Riesenlandes abzuschieben. 2013 bearbeiteten die Behörden 166 Aberkennungsverfahren gegen Staatsbürger der Russischen Föderation. In 96 Fällen wurden rechtskräftige Bescheide erwirkt. Im ersten Halbjahr 2014 wurden weitere 51 Verfahren eingeleitet. Auch die Zahl der zwangsweisen Abschiebungen von Tschetschenen nach Russland ist beachtlich. 2013 waren es 236, heuer (im ersten Halbjahr) 112. Allerdings umfassen diese Zahlen Personen, denen der Asylstatus aberkannt wurde, und Fälle, in denen die Behörden schon die Anträge auf einen Flüchtlingsstatus abgelehnt haben.

Zurück zum Fall der festgenommenen Jihadisten. Nach „Presse"-Informationen interessiert sich der Staatsschutz besonders für die Aktivitäten jenes Verdächtigen, der die Tschetschenen hätte außer Landes bringen sollen. Der Österreicher dürfte nämlich nicht zum ersten Mal islamistische Kämpfer bei ihrer Reise in Kriegsgebiete unterstützt haben. Entgegen dem aktuellen Trend zur gegenseitigen Radikalisierung im Internet - insbesondere in den sozialen Netzwerken - deuten die Untersuchungen der Behörden darauf hin, dass sich die Gruppe der Kämpfer überwiegend persönlich getroffen hat. Dennoch gelang es den Behörden, belastende Telefongespräche mitzuhören. Verbindungen zu Gesinnungsgenossen im europäischen Ausland sollen laut der Quelle nicht bestanden haben.

Deutsche Debatte

Der aktuelle Fall bringt auch eine in Deutschland losgetretene Debatte über das Aufenthaltsrecht von Ausländern (ohne Asylstatus) nach Österreich. Wolfgang Bosbach, Vorsitzender des Innenausschusses des deutschen Bundestags (CDU), hat angesichts von Zusammenstößen zwischen Yeziden und IS-Demonstranten vorgeschlagen, Ausländer schneller auszuweisen, wenn diese religiös motivierte Verhetzung betreiben.

Der Justizsprecher der SPÖ, Hannes Jarolim, steht dem nicht ablehnend gegenüber: „Es ist nicht akzeptabel, dass man bei uns mit einem Leiberl herumrennt, auf dem für genozide Entwicklungen geworben wird, oder wenn man verfolgten Gruppen im Internet droht. Das muss einen Einfluss auf das Aufenthaltsrecht und auch auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft haben." Bei Menschen, die aktiv Jugendliche werben, kann sich Jarolim „auch die Ausweisung vorstellen". Gleichzeitig mit einer Nachschärfung des Gesetzes müsse man aber eine Informationskampagne fahren, weil es Extremisten offensichtlich sehr erfolgreich gelinge, Jugendliche anzusprechen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2014)

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