Frankreich: Überraschungsangriff gegen Sarkozy

(c) Reuters (PHILIPPE WOJAZER)
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Jacques Chirac schätzt ihn, aus Umfragen geht er als beliebtester Politiker hervor: Nun will Ex-Premier Alain Juppé Präsident werden – eine Kampfansage an Parteikollegen Sarkozy.

Paris. Der Wettstreit um die Präsidentschaftskandidatur von 2017 in Frankreich wird bereits jetzt bei der konservativen UMP zu einem gnadenlosen Ausscheidungsrennen auf lange Distanz. In seinem Internetblog hat nun auch der ehemalige Premierminister Alain Juppé bestätigt, dass er sich an den internen Vorwahlen zur Nominierung des Anwärters der bürgerlichen Rechten beteiligen wolle.

Dass Juppé ausgerechnet diesen Zeitpunkt der Sommerflaute für seinen Vorstoß wählt, mag erstaunen. Doch die Zeit drängt zur Entscheidung, mehrere andere Parteikollegen haben bereits ihre Ambitionen angemeldet. Vor allem aber hat sein Hauptrivale, Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, durchblicken lassen, dass er Ende August seinerseits die Karten aufdecken wolle. Dieser hat offenbar die Absicht, sich am Parteikongress im November zum UMP-Vorsitzenden wählen zu lassen. Das würde ihm fast automatisch den Favoritenstatus verleihen.

Populärster Konservativer

Durch Sarkozys Rechnung hat nun Juppé einen Strich gemacht. Wegen seiner offiziellen Bewerbung wird ein formelles Auswahlverfahren unumgänglich. Mit seinem Überraschungsangriff möchte Juppé zweifellos Sarkozy zum Verzicht bewegen. Kein anderer Politiker ist derzeit so angesehen wie Juppé. 50 Prozent der Befragten haben laut „Les Echos“ eine positive Meinung von ihm. Damit liegt er vor einem anderen Ex-Premier, François Fillon (40%), und Sarkozy (37%).

Der heute 69-jährige Juppé ist als Bürgermeister von Bordeaux ausgesprochen populär. Er hat viel für die Erneuerung seiner Stadt getan. Seinen dortigen Anhängern hat er vor der Wiederwahl aber hoch und heilig versichert, er werde bis 2020 sein Amt im Rathaus ausüben. Die Wahl zum Staatschef würde ihn zwingen, das Versprechen zu brechen. Juppé zählt zu Frankreichs erfahrensten Politikern. Er war zwar nur von 1995 bis 1997 unter Präsident Jacques Chirac Premier, bekleidete aber davor und danach mehrere Ministerämter.

Da Juppé in der UMP immer wieder auf einen Ausgleich gedrängt und sich bisher aus dem Gerangel um Macht und Posten herausgehalten hat, betrachten ihn viele seiner Landsleute als eine Art Weisen. Andere dagegen halten ihn für einen Veteranen. Sarkozy soll laut „Le Parisien“ sogar gespottet haben, für ihn sei Juppé allein schon „angesichts seines Alters keine Konkurrenz“. Tatsächlich gehört Juppé zur Generation der Gaullisten, die in Paris mit Jacques Chirac eher in den 1990er-Jahren den Ton angegeben haben. Dieser hat damals Juppé als „den Besten von uns“ als seinen Nachfolger designiert. Doch es kam anders: Wegen einer Parteifinanzierungsaffäre wurde Juppé 2004 zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 14 Monaten und einem Jahr Wählbarkeitsentzug verurteilt.

Das hat ihm aber keinen nachhaltigen Imageschaden zugefügt. Heute kann er sich gute Chancen für die Wahl zum Staatschef ausrechnen – wenn es ihm definitiv gelingen sollte, Sarkozy am Comeback zu hindern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2014)

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