Slowenien: Topjurist übernimmt die Regierungsspitze

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Miro Cerar, der Quereinsteiger der slowenischen Politik, übernahm das Amt des Regierungschefs. Der im Juli zu einer Haftstrafe verurteilte Chef der Partei SDS, Janez Janša, kritisierte Cerars Programm im Parlament.

Wien/Ljubljana. Nach Jahren der politischen Turbulenzen unternimmt Slowenien wieder einen Versuch, mit einem mehrheitlichen Austausch des Personals Stabilität zurückzugewinnen. Miro Cerar, der klare Wahlsieger der Parlamentswahlen im Juli, wurde zum neuen Regierungschef gewählt. Der Politneuling hatte die Wahl Mitte Juli mit 34,5 Prozent der Stimmen gewonnen. Seine erst im Juni gegründete Partei SMC (Partei Miro Cerars) hält damit im Parlament mit 36 von 90 Sitzen knapp mehr als ein Drittel der Mandate.

Cerar hat sich als einer der bedeutendsten Juristen Sloweniens profiliert und arbeitete bereits an der Verfassung der Republik Slowenien mit. 20 Jahre lang übte er seine Funktion als Berater des Nationalrats in rechtlichen Fragen aus. Er ist auch Professor an der Juridicum-Fakultät in Ljubljana.

In einer Rede hat der 51-Jährige sein Regierungsprogramm formuliert: „Ich will, dass alle neuen Abgeordneten für die Zukunft und das Ansehen Sloweniens zusammenarbeiten, dass wir die Korruption bekämpfen und den Bürgern erneutes Vertrauen in den Rechtsstaat geben.“

Zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung zählte er die Ankurbelung der Wirtschaft, die Schaffung besserer Arbeitsbedingungen und eine Gesundheitsreform. Auch der Verkauf der Staatsbetriebe, der in Slowenien derzeit in vollem Gang ist, soll „strategisch durchdacht“ werden.

Streitfall Janez Janša

Bei der Konstituierung des Parlaments sorgte auch der Polithäftling Janez Janša für eine rege Debatte. Der ehemalige Ex-Premierminister und Chef der mit fast 21 Prozent größten Oppositionspartei SDS wurde drei Wochen vor den Parlamentswahlen wegen dubioser Waffengeschäfte in der Patria-Affäre zu zwei Jahren Haft verurteilt. In der slowenischen Verfassung gibt es aber kein Gesetz, das die Wahl verurteilter Personen verbieten würde.

„Wenn ich gewählt worden bin, aber jetzt nicht mehr Teil der Regierung werden darf, halte ich die Juliwahlen für nicht legitim“, sagte er im Zuge der Diskussion. Eine von der Regierung eingerichtete Juristenkommission soll demnächst eine Entscheidung treffen, ob er sein Mandat antreten darf.

An der SMC übte Janša moderate Kritik. „Das Programm der SMC-Partei ist zwar an sich gut,“ sagte er. „Es ist aber völlig unrealistisch. Ohne Daten, ohne Ziffern und Fristen, ein Programm ohne Konkretisierungen. Wir sind so hoch verschuldet, und dennoch wurden heuer noch drei weitere Ministerien geschaffen. Das ist völlig irrational.“

Kritik an Cerars Programm äußerten auch die Vereinte Linke, die als erste Partei aus Koalitionsverhandlungen ausgetreten ist. Die Regierung habe sich weiter dem „Dienst des Kapitals“ verschrieben, statt sich um die ärmsten Schichten zu kümmern.

Drei-Parteien-Koalition

Die Koalition setzt sich aus drei Parteien zusammen: aus SMC, SD (Sozialdemokraten) und DeSUS (Demokratische Pensionistenpartei). Zaab (Allianz von Alenka Bratušek) – sie war zuletzt Regierungschefin – wurde wegen „mangelnden Vertrauens“ bereits von den Verhandlungen ausgeschlossen.

Auf der Agenda steht zunächst die Verteilung der Ministerposten. Die Mitte-links-Regierung soll 15 Ressortchefs haben, davon entfallen auf die SMC acht Minister, auf DeSUS vier und die SD drei. Bis Mitte September sollte die Regierungsbildung abgeschlossen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2014)

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