Sachsen: Die Wahl im rechten Eck

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Das Musterland des Ostens wählt am Sonntag. Die Prognose: Die CDU hält ihre starke Bastion, die AfD zieht erstmals in einen Landtag ein, die rechtsextreme NPD bleibt drinnen.

Dresden. Luftschlacht um Dresden: „Wählt die NPD!“, „Wählt die AfD!“ Kleine Flieger mit großen Bannern kämpfen über der Hauptstadt Sachsens um die rechte Propagandahoheit im Wahlkampf. Derweil werben ihre Politiker auf dem Boden für den Urnengang am Sonntag. Aus Verstärkern dröhnen Parolen der rechtsextremen NPD, direkt neben der barocken Pracht des Zwingers.

Auf der Balustrade hören Touristen erschrocken, wie Udo Pastörs dem Islam seine „Kriegserklärung“ entgegenschleudert: „Wir haben erlebt, wie die Muselmanen vor Wien standen. Wer glaubt noch, dass sie nicht wieder zum großen Schlag ausholen?“. Neben einer lächelnden Maid mit leuchtend blondem Pferdeschwanz reiht der Parteichef seine Werte auf: „Es geht einzig darum, den Fortbestand des eigenen Volkes zu sichern. Dann kommt ganz lange gar nichts.“

Rechte Themen, sanft verpackt

Ein paar Ecken weiter, in der Einkaufsmeile Prager Straße, klingt die „Alternative für Deutschland“ deutlich harmloser. Aber die Themen gleichen sich: „Grenzenlose Kriminalität“, Asylmissbrauch, Volksentscheide über Minarette. Keine Sanktionen gegen Russland, dafür Kritik an Amerika. Spitzenkandidatin Frauke Petry will Abtreibungen erschweren und fordert drei Kinder pro Frau, „um das Überleben des eigenen Volkes zu sichern“. Die Plakatslogans ähneln jenen der NPD. Wahlkampfleiter Uwe Wurlitzer bekennt vor Auslandskorrespondenten: „Die haben Sprüche, die die Wahrheit sagen.“

Und der Euro? Kein Thema mehr. Kaum eineinhalb Jahre nach ihrer Gründung ist aus der gediegenen Ökonomentruppe eine ziemlich rechte Protestpartei geworden. Im traditionell konservativen Sachsen hat die AfD ihre Hochburg. Sieben bis neun Prozent sind drin, der erste Einzug in einen Landtag gilt als sicher – ein Signal für die Wahlen in Thüringen und Brandenburg zwei Wochen später.

„Ein Sammelsurium von Unzufriedenen und Populisten“, nennt CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich (55) kopfschüttelnd seine neue Konkurrenz. Der beliebte Landesvater hat den Wahltermin ans Ende der Schulferien gelegt. Sein Kalkül: Im Urlaub sind die Bürger zufrieden und wählen, was sie immer gewählt haben: die CDU. Die Zeiten der „Absoluten“ sind nach Biedenkopf zwar vorbei. Aber mit 40 Prozent kann der Sorbe, der das Land visionsarm, aber souverän mit ruhiger Hand verwaltet, weiter rechnen. Doch die erwartbar niedrige Wahlbeteiligung hilft den Protestparteien, die ihre Anhänger besser mobilisieren. Die NPD profitiert von der steigenden Zahl an Asylanten. In Umfragen liegt sie wieder bei fünf Prozent. Angesichts der üblichen Dunkelziffer heißt das wohl: zum dritten Mal im Landtag.

Wirtschaftliche Erfolgsbilanz

Rational gibt es wenig Gründe für radikalen Protest. Der Ausländeranteil ist mit zwei Prozent sehr gering. Das Land steht wirtschaftlich gut da. Die Abwanderung (von fünf Millionen Sachsen zur Wendezeit sind nur vier geblieben) ist gestoppt. Das Musterland im Osten erzielt die besten Noten im PISA-Test und hat neben Bayern die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung aller Länder. Dennoch stört Tillich, dass er mit seinem Etat noch zu 40 Prozent auf „westliche“ Hilfe angewiesen ist. In seinem Spardrang schießt er übers Ziel hinaus: Weniger Polizisten und weniger Lehrer lautet der Plan, vor allem auf dem immer dünner besiedelten Land.

Darauf haben sich alle politischen Gegner eingeschossen. Sogar die FDP, die als Koalitionspartner die Reformen mitgetragen hat. Die Liberalen kämpfen auch in Sachsen ums politische Überleben. In seiner Verzweiflung plakatiert Holger Zastrow: „Sachsen ist nicht Berlin.“ So skurril distanziert sich der Kandidat von der glücklosen Bundespartei. Wohl umsonst: Die FDP dürfte aus dem Landtag fliegen.

Dann muss sich Tillich nach einem neuen Partner umsehen. Etwa den Grünen, die in Umfragen bei sieben Prozent liegen, aber beim Reizthema Braunkohle eine hohe Hürde überspringen müssten. Also eher die SPD, die in Umfragen auf 14 Prozent kommt. Auch der Spitzenkandidat Martin Dulig (40) kann es mit seinem volksnahen „Küchentisch“-Wahlkampf nicht ändern: In ihrer historischen Heimat liegen die Sozialdemokraten hinter den Linken, die wieder mit gut 20 Prozent rechnen. Ihr Frontmann, Rico Gebhardt (51), verrät sein Rezept: „Wir haben Themen, die den Menschen täglich wichtig sind“ – anders als ideologische Westlinke, die diskutieren, „wie die Gesellschaft einmal aussehen könnte“. Und so fordern in Sachsen sogar die radikalen Linken mehr Polizisten – gegen die vielen Diebstähle an der Grenze.

AUF EINEN BLICK

Sachsen. Am Sonntag findet im ostdeutschen Vorzeigebundesland eine Landtagswahl statt, zwei Wochen später folgen Brandenburg und Thüringen. Die Position des CDU-Landesvaters, Stanislaw Tillich, ist unangefochten. Aber er dürfte sich einen neuen Koalitionspartner suchen müssen, wenn die FDP aus dem Landtag fliegt. Der Protestpartei AfD ist der Einzug sicher, bei der rechtsextremen NPD wahrscheinlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2014)

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