Russische Soldaten im Kriegseinsatz

Satellitenbilder der Nato zeigen angebliche russische Militärfahrzeuge auf ukrainischem Boden.
Satellitenbilder der Nato zeigen angebliche russische Militärfahrzeuge auf ukrainischem Boden.(c) APA/EPA/NATO / DIGITALGLOBE / HANDOUT (NATO / DIGITALGLOBE / HANDOUT)
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Die Regierung in Kiew ist alarmiert: Präsident Poroschenko wirft Russland einen Einmarsch an der Südküste vor. Die Separatisten nahmen mehrere Orte ein, nun droht eine Schlacht um Mariupol.

Wien/Kiew. Die Wortwahl erinnerte an die 9/11-Anschläge. Nur dass es diesmal nicht hieß „America under Attack“ sondern „Ukraine under Attack“. Das Außenministerium in Kiew trommelte die Botschaft auf Twitter und bat darum, sie weiterzuverbreiten. „Russland zieht die ganze Welt in einen Krieg“, warnte Ressortchef Paulo Klimkin später. Präsident Petro Poroschenko sagte einen Arbeitsbesuch in der Türkei ab, machte noch auf dem Rollfeld kehrt, um in einer TV-Ansprache zu erklären: „Mein Platz ist jetzt in Kiew.“

Statt Ankara am Donnerstag nun Brüssel am Samstag – Krisengipfel. Gut möglich, dass die EU dort die Sanktionsschrauben für Russland noch einmal festerdreht. Auch deutsche Außenpolitiker wie Norbert Röttgen und Elmar Brok forderten gestern eindringlich neue Strafmaßnahmen.

Keine 48 Stunden nach dem Handschlag zwischen Poroschenko und seinem russischen Amtskollegen, Wladimir Putin, im weißrussischen Minsk hat der Konflikt in der Ostukraine die nächste Eskalationsstufe genommen. Russische Soldaten sollen nun ukrainische Orte kontrollieren. So lautet der Vorwurf Kiews. Russische Soldaten seien gemeinsam mit ukrainischen Separatisten in den Grenzort Nowoasowsk und umliegende Dörfer einmarschiert. Russische Vertreter sprachen von einer „Lüge“.

US-Präsident Barack Obama meldete sich am späten Donnerstabend unserer Zeit ebenfalls zu Wort. Obama hat Russland vorgeworfen, wiederholt und absichtlich die ukrainische Souveränität verletzt zu haben. "Dieses anhaltende Eindringen in die Ukraine bringt weitere Kosten und Konsequenzen für Russland", erklärte der Präsident am in Washington mit Blick auf die aktuellen Ereignisse. Er kündigte an, den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko im kommenden Monat im Weißen Haus in Washington zu begrüßen.

Schlacht um Mariupol

Nun droht eine Schlacht um Mariupol an der Südfront entlang des Asowschen Meers. Die ukrainischen Streitkräfte sammeln sich in der etwa 40 Kilometer von Nowoasowsk gelegenen Hafenstadt. „Wir formieren zwei Verteidigungslinien und graben uns ein“, erklärte ein Militärsprecher in Kiew. Die Rebellen haben Mariupol als Ziel ausgegeben. Erst im Juni hatten die Regierungstruppen diese von dort vertrieben.

Nicht auszuschließen, dass die „Gegenoffensive“ den Rebellen Luft verschaffen soll, die 100 Kilometer nördlich in Donezk eingekesselten sind. Mariupol hat allerdings auch strategische Bedeutung. Es ist die größte Stadt am Landkorridor auf dem Weg von Russland auf die Krim. Die von Moskau im März einverleibte Halbinsel kann bisher nur auf dem Seeweg versorgt werden. Spekulationen über eine Landbrücke gibt es schon lang. Allerdings sind sich Militärexperten nicht sicher, ob die russischen Streitkräfte – ohne Teilmobilmachung – überhaupt in der Lage wären, den etwa 600 Kilometer langen Korridor von der Grenze bis zur Krim einzunehmen und langfristig zu halten.

Russische Panzer in der Ukraine

Trotz aller Dementis verdichten sich auch die Hinweise auf eine russische Intervention. Die Nato legte am Donnerstag Satellitenbilder vor. Sie sollen hochmoderne russische Panzerartillerie in der Ukraine zeigen.

Satellitenbilder, die die Nato veröffentlicht hat.
Satellitenbilder, die die Nato veröffentlicht hat.(c) APA/EPA/NATO / DIGITALGLOBE / HANDOUT (NATO / DIGITALGLOBE / HANDOUT)

Joseph Dempsey vom International Institute for Strategic Studies fiel zudem ein Kampfpanzer auf einem Bild der Separatisten auf, ein sogenannter T-72BM. „Dieses Modell wurde in Russland produziert und niemals exportiert“, sagt er zur „Presse“. Was also macht es in der Ukraine? Ein Reporter der Nachrichtenagentur Reuters beobachtete drei Kilometer vor der ukrainischen Grenze einen russischen Militärkonvoi. Die Nummernschilder auf einem beschädigten Lkw waren entfernt. Einer der Soldaten hatte eine Gesichtsverletzung. Erst am Freitag waren zehn russische Fallschirmjäger festgenommen worden.

Ungewohnt offen räumte Rebellenführer Alexander Sachartschenko am Donnerstag ein, dass etwa 3000 Freiwillige aus Russland bereits in der Ostukraine kämpfen würden, die Nato spricht von mehr als 1000 russischen Soldaten. Soldaten würden dort „Urlaub“ machen. Mit Ella Polyakova, Mitglied des russischen Menschenrechtsrats, scherte zudem eine Menschenrechtsberaterin von Wladimir Putin aus der offiziellen Kreml-Linie aus: „Wenn massenhaft Menschen unter einem Kommando mit Panzern und schweren Waffen auf das Gebiet eines anderen Landes eindringen, dann würde ich das schon als Invasion sehen.“ (strei/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2014)

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