Propagandaschlacht um Panzer und Gräber

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Steffen Seibert DEU Deutschland Germany Berlin 18 07 2014 Steffen Seibert Regierungssprecher u(c) imago/IPON (imago stock&people)
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Ukraine-Krise. Nato müht sich, Russland als Drahtzieher der Separatisten zu entlarven. Die Indizien verdichten sich.

Als Angela Merkels Regierungssprecher ist Steffen Seibert, ehemals ZDF-Nachrichtenmoderator, von Natur aus zur diplomatischen Zurückhaltung verpflichtet. Am Freitag ließ er aber alle Vorsicht fahren. „Das alles zusammen addiert sich zu einer militärischen Intervention“, resümierte er über die Eskalation der vergangenen Tage in der Ostukraine.

Sergej Lawrow, Russlands Chefdiplomat und zugleich Verteidigungsminister an der PR-Front, konterte indessen kühl, die Satellitenfotos der Nato, der vermeintliche Beweis für Moskaus Regie im Guerilla-Krieg in der Ostukraine, hätten sich als Computerspielmaterial entpuppt. Es sei Zeit, dafür endlich einmal Fakten vorzulegen. Stärkstes Indiz für die direkte Verwicklung Russlands war zuletzt die Festnahme zehn russischer Fallschirmjäger in der Region Donezk. Laut Darstellung Moskaus hätten sie bei einer Patrouille die Orientierung verloren. Bei ihrer Einvernahme durch ukrainische Sicherheitskräfte gaben sie an, sie seien offiziell zu Militärübungen in den Süden des Landes beordert worden. Stattdessen hätten sie sich unversehens in einem Krieg wiedergefunden. „Das war alles eine Lüge“, sagte Sergej Smirnow. Und ein gewisser Ivan Michalkow gab zu Protokoll: „Wir kamen als Kanonenfutter hierher.“

Russische Medien enthüllten unlängst, dass in Pskow – dem Sitz der 76. Division der Luftlandetruppen, einer Eliteeinheit nahe der estnischen Grenze –, mehrere Soldaten beigesetzt worden seien. Die Truppe war auch in den Kriegen im Kosovo und in Georgien oder im Konflikt auf der Krim im Einsatz. Ella Polyakowa, Aktivistin im Verband der Soldatenmütter, bestätigte, dass jüngst rund 100 verletzte Soldaten in einer Geheimaktion in ein Militärspital nach St. Petersburg verlegt worden seien. In Russland wecken die Berichte über gefallene Soldaten und Zinksärge Erinnerungen an die Kriege in Afghanistan und Tschetschenien.

„Leider gab es auch Tote“, bekräftigte Separatistenführer Alexander Sachartschenko. Der selbst ernannte Premier der „Volksrepublik Donezk“ machte kein Hehl daraus, dass russische Soldaten „im Urlaub“ an der Seite der Separatisten kämpfen würden. Ihre Führer rekrutieren sich zu einem Gutteil aus russischen Offizieren und Geheimdienstleuten wie dem Kommandanten Igor Girkin alias Strelkow, der inzwischen der Front den Rücken gekehrt haben soll. Er hatte auch die ominösen „grünen Männchen“ in Camouflage-Uniform und den entfernten Abzeichen auf der Krim angeführt. Wladimir Putin hat die Beteiligung russischer Kämpfer erst abgestritten, nach der Annexion jedoch eingestanden.

Russisches Kriegsgerät

Joseph Dempsey vom renommierten Londoner International Institute for Strategic Studies identifizierte in einem Konvoi der Separatisten Panzer vom russischen Typus T-72BM, wie er sonst exklusiv in der russische Armee zum Einsatz kommt. Das erhärtet die Beobachtung zweier britischer Reporter, die Mitte August den Grenzübertritt eines russischen Militärkonvois aus 23 Panzerfahrzeugen bezeugt haben. Zudem veröffentlichte das Nato-Hauptquartier in Mons nun schwarz-weiße Satellitenfotos der Firma Digital Globe, die russische Hightech-Waffen – darunter Luftabwehrgeschütze – in der Region um Krasnodon in der Ostukraine belegen. Die westlichen Geheimdienste ziehen die Privatfirma heran, um ihr qualitativ höherwertiges Material nicht preiszugeben – und Russland Rückschlüsse über ihre Technologie zu gewähren.

Nicht geklärt ist indessen der Abschuss des Flugzeugs der Malaysia Airlines im Juli, dem 298 Menschen zum Opfer gefallen sind. Nach allgemeiner Einschätzung feuerte ein Luftabwehrgeschütz des russischen Buk-Systems den Treffer ab. In später gelöschten Einträgen in sozialen Medien und in abgehörten Telefonaten brüsteten sich Strelkow & Co. der Tat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2014)

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