Mugabe: „Dann bin ich ein Hitler hoch zehn“

(c) AP (Philimon Bulawayo)
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Mit allen Tricks hält sich Robert Mugabe seit 28 Jahren in Simbabwe an der Macht. Bei der Stichwahl Ende Juni könnte es eng für ihn werden.

KAPSTADT/ HARARE. „In Afrika“, spottete der Simbabwer Morgan Tsvangirai einmal, „haben wir Wahlen, aber keine Demokratie.“ Acht Jahre sind seit diesem Ausspruch auf der Veranda seines Hauses vergangen. Seitdem zog der bullige Chef der oppositionellen „Bewegung für Demokratischen Wandel“ (MDC) dreimal bei Wahlen den Kürzeren, wurde zweimal wegen Hochverrats angeklagt und freigesprochen und schließlich, im März 2007, von Polizisten so übel verprügelt, dass er angeblich einen Schädelbruch erlitt. Nun aber steht er an den Stufen des State House, der Residenz des Staatsoberhauptes, in der seit 28 Jahren ein Mann residiert: Robert Mugabe.

Der hat zum Wahlkampfauftakt für die Stichwahl am 27. Juni das getan, was er besonders gut kann: Wettern gegen den Westen: Er drohte dem US-Botschafter wegen „Einmischung in interne Angelegenheiten die Ausweisung an, und forderte seine ZANU-PF-Partei zur Geschlossenheit beim „Krieg gegen die Ausländer“ – also vor allem Briten und Amerikaner – auf.

Verbrauchte Tiraden

Die Tiraden klingen verbraucht, und es stellt sich die Frage, warum der 56-jährige, Ex-Gewerkschaftsführer Tsvangirai kein leichteres Spiel gegen den 84-jährigen Mugabe gehabt hat. Warum ist es so schwer, einen Autokraten zu Fall zu bringen, der sein Land systematisch zerstört? Es waren ja nicht Naturkatastrophen oder feindliche Heerscharen, die ein Viertel der Bevölkerung zur Flucht veranlassten. Es waren auch nicht der Weltwährungsfonds und Sanktionen des Westens, die die Inflationsrate auf weimarische Ausmaße trieb.

Es war alles hausgemacht – gerade so, als hätte Mugabe eine Liste an seinen Rasierspiegel geheftet: Was ich noch tun muss, um mein Land vollends zu ruinieren. Mugabe ist kein brutaler Polit-Clown à la Idi Amin. Er ist der Altmeister der gewalttätigen Manipulation und gewieften Fälschung, der regelmäßig Wahlen abhält, weil er weiß, dass er am Ende siegt und sich von seinen afrikanischen Kollegen beklatschen lassen kann. Dazwischen lässt er Oppositionelle einsperren und manchmal töten, kritische Zeitungen einstellen, Radiostationen in die Luft jagen und mutige Richter vertreiben.

Punkt eins auf der Liste war die sogenannte Landreform. Mugabe blies zur Treibjagd auf die 4500 weißen Farmer, weil sie Tsvangirais MDC aktiv unterstützt hatten. Drei Jahre später lagen die besten Böden im südlichen Afrika brach, eine Viertelmillion Farmarbeiter war mittellos geworden. Mugabe scheut auch nicht den NS-Jargon. Die Landreform sei die „Endlösung“ erklärte er kürzlich; vor fünf Jahren war er noch deutlicher: „Wer mich deshalb Hitler nennt, ok, dann bin ich ein Hitler hoch zehn.“

Bis heute scheut Tsvangirai davor zurück, die Massen zu mobilisieren. Bei Oppositionellen in Südafrika, die in den 80er- und 90er-Jahren mit Demonstrationen das Apartheidregime in die Ecke gedrängt hatten, ruft dies Unverständnis hervor. Die „Sunday Times“, größte Zeitung Südafrikas, hat daraus einen running gag gemacht: Was muss noch geschehen, fragt Kolumnist Hogarth in fast jeder Ausgabe, bevor ein Simbabwer richtig böse wird? Tsvangirais Antwort fällt seit Jahren gleich aus: Auch auf friedliche Demonstranten würden Polizei und Armee schießen. Für Mugabe wäre es eine Ausrede, den Ausnahmezustand zu verhängen. Tsvangirais Zögern wird von Kritikern als Führungsschwäche ausgelegt. Gleichzeitig sei er launisch und unsicher und würde niemanden neben sich dulden.

Dieses Psychogramm passt schlecht zu Tsvangirais Ursprüngen und Auftreten. 1983 wurde der ehemalige Minenarbeiter in die Führung der Gewerkschaft gewählt, fünf Jahre später war er Generalsekretär des Gewerkschaftsbunds, damals noch stramm auf Regierungskurs. Als 1989 deutlich wurde, dass die Wirtschaftsmisere auf Kosten der Arbeiterlöhne zunahm, führte er die Gewerkschaften in die Unabhängigkeit. Prompt wurde er als „Spion Südafrikas“ sechs Wochen eingesperrt. Unbeirrt brachte Tsvangirai die Arbeiterschaft auf regierungskritischen Kurs. 1997 prangerte er ein Gesetz an, das Mugabe bis zum Tod ein Luxusleben auf Steuerzahler-Kosten ermöglichte. Zwei Tage später prügelten ihn Geheimdienstler bewusstlos. Seine Antwort: noch härterer Widerstand und die Gründung des MDC.

Auch Tsvangirai für Landreform

Weil Tsvangirai auch unter weißen Simbabwern viele Freunde hat, wurde er von Mugabe immer wieder als „Marionette der Kolonialisten und Großbritanniens“ verhöhnt. Dabei hatte Tsvangirai stets unterstrichen, dass auch er eine Landreform befürworte. Sein Plan: fünf Mio. Hektar an 100.000 Kleinbauern verteilen, nicht an Parteibonzen. „Allein zwei Mio. Hektar sind in Staatsbesitz,“ rechnet er vor, „wenn wir noch Zweit- oder Drittfarmen von Eigentümern mehrerer Höfe dazurechnen, sollten wir fünf Mio. Hektar für die Umverteilung haben.“

Die MDC hat die Parlamentswahl Ende März mit 57 Prozent gewonnen, im Rennen um die Präsidentschaft erhielt Tsvangirai 47,8 Prozent, Mugabe nur 43,2. Bevor dieses Ergebnis verkündet wurde, gingen die Bürger in Montenegro, Südkorea, Nepal, Italien, Paraguay und Mikronesien an die Urnen – und überall wurden die Ergebnisse pünktlich vorgelegt. Nur in Simbabwe wurde weitergezählt, geschachert und gefälscht, weil ein alter Mann und seine Machtclique nicht von ihren Pfründen lassen wollen. Wie Tsvangirai vor acht Jahren sagte: „In Afrika haben wir Wahlen, aber keine Demokratie.“

AUF EINEN BLICK

Simbabwes Oppositionsführer Morgan Tsvangirai fordert am 27. Juni in der Präsidenten-Stichwahl Amtsinhaber Robert Mugabe heraus. Nach dem ersten Wahlgang Ende März hatte die Wahlkommission fünf Wochen gebraucht, um das Ergebnis zu verkünden. Die Opposition witterte Fälschung und wollte zunächst an der Stichwahl nicht teilnehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2008)

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