Putin für neuen Staat in Ukraine

(c) REUTERS (RIA Novosti)
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Russlands Präsident fordert Verhandlungen über die Eigenstaatlichkeit der Südostukraine, die Gebiete sollen "selbstverständlich" Teil der Ukraine bleiben. Nato reagiert mit Erhöhung der Einsatzbereitschaft.

Moskau/Kiew/Berlin. Die militärische Offensive der Separatisten in der Region Mariupol im Südosten der Ukraine geht synchron mit einer politischen Offensive Wladimir Putins. Nach seinem jüngsten Bekenntnis zu „Neurussland“, dem russisch dominierten Teil im Osten der Ukraine, das alle früheren Sowjet-Satellitenstaaten erneut in Aufregung versetzt hat, forderte der russische Präsident direkte und sofortige Verhandlungen über eine Eigenstaatlichkeit der Südostukraine. Es ist der bisher vehementeste rhetorische Vorstoß Putins in der Ukraine-Krise seit der Annexion der Krim, auch wenn sein Sprecher danach zu beruhigen versuchte: Der Präsident habe nicht einen unabhängigen Staat gemeint, behauptete er. Die Gebiete sollten „selbstverständlich“ Teil der Ukraine bleiben.

Was genau Putin meinte, blieb am Sonntag jedoch unklar. Für Kiew und den Westen stehen die Grenzen der Ukraine nicht zur Diskussion. Sie werfen Putin vor, den Konflikt angeheizt zu haben.

Russland dürfe sich nicht heraushalten, wenn auf Menschen in der Ukraine geschossen werde, hatte der russische Präsident argumentiert. Ziel müsse es sein, die Interessen der Bevölkerung zu schützen, erklärte er bei einer Rede im Osten Russlands. Schon bei früheren Auftritten hatte sich Putin zum Schirmherren der russischsprachigen Minderheiten in den einstigen Sowjet-Republiken stilisiert. Der Kreml tritt für eine Föderalisierung der Ostukraine ein, um zumindest den russischen Einfluss in der Region aufrechtzuerhalten.

Fünf neue Nato-Stützpunkte im Osten

Während sich die ukrainischen Streitkräfte auf die Verteidigung der strategisch wichtigen Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer vorbereiteten, während Soldaten Schützengräben aushoben und Panzer Stellung bezogen, kam es zu einem Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und Russland. Nach schwierigen Verhandlungen übergab die Ukraine jene russischen Fallschirmjäger, die vor wenigen Tagen die Grenze überschritten hatten. Russland ließ derweil 63 ukrainische Soldaten frei, die im Donbass auf russischem Gebiet aufgegriffen worden waren.

Unterdessen steht der zweite russische Hilfskonvoi in der Stadt Rostow bereit. Die Hilfsgüter, darunter Lebensmittel, Trinkwasser und Medikamente, sind per Zug angeliefert und anschließend auf die Lastwagen umgeladen worden. Putin und Poroschenko hatten sich bei ihrem Treffen vorige Woche in Minsk auf die neuerliche Hilfslieferung geeinigt, nachdem um den ersten Hilfskonvoi ein Streit entbrannt war. Der Konvoi aus 280 weißen LKW hatte eine Woche an der Grenze gewartet, bevor er ohne Erlaubnis der Ukraine seine Ladung ablieferte.

Vor Beginn des Nato-Gipfels in Wales, der im Zeichen des Ukraine-Konflikts stehen wird, demonstriert das Militärbündnis Entschlossenheit gegenüber seinen Mitgliedstaaten in Osteuropa. Die Nato plant, in den baltischen Staaten, in Polen und Rumänien fünf neue Militärstützpunkte zu errichten – ein klares Signal an Russland, das sich ohnehin von der Nato bedroht sieht. Nach einem Bericht der „FAZ“-Sonntagszeitung dienen die neuen Basen zur Vorbereitung von Manövern, im Ernstfall aber natürlich auch als logistischer Ausgangspunkt für Einsätze.

Nach Informationen des deutschen Blatts soll Russland beim Nato-Treffen als „Bedrohung für die euroatlantische Sicherheit“ klassifiziert werden, als Teil eines Plans zur Erhöhung der Einsatzbereitschaft. Vorgesehen ist der Aufbau einer Eingreiftruppe von rund 4000 Soldaten, die innerhalb weniger Tage in ein Krisengebiet verlegt werden kann. Zudem drängen mehrere Nato-Staaten – die Balten, Polen und Kanada – darauf, die Nato-Charta abzuändern, um so rascher Truppen auf dem Gebiet des ehemaligen Ostblocks stationieren zu können. Deutschland sagte zunächst zwar zu, eine Kompanie der Bundeswehr – etwa 150 Soldaten – im kommenden Jahr ins Baltikum oder nach Polen zu verlegen, wendet sich aber gegen eine Neufassung der Nato-Akte. Wie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erklärte, spricht sich die Regierung in Berlin auch gegen einen etwaigen Nato-Beitritt der Ukraine aus. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2014)

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