Putin: "Könnte Kiew in zwei Wochen einnehmen"

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BELARUS RUSSIA DIPLOMACYAPA/EPA/ALEXANDER ZEMLIANICHENKO
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In der Ukraine befinden sich die Separatisten auf dem Vormarsch. Für Aufsehen sorgt eine Drohung des russischen Präsidenten.

Moskau. Russland setzt sein doppelbödiges Spiel in der Ukraine fort. „Es wird keine Militärintervention in der Ukraine geben“, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Montag in Moskau. Russland sei für eine politische Lösung der Krise. Der ukrainische Präsident, Petro Poroschenko, beschuldigte den Kreml dagegen der „direkten und offenen Aggression“. Nach ukrainischen Militärangaben operieren mindestens vier russische Bataillone mit einer Stärke von jeweils 400 Mann auf ukrainischem Territorium. Die Nato spricht von rund 1000 Armeeangehörigen.

Für Aufsehen sorgte zudem eine Drohung des russischen Präsidenten, Wladimir Putin, die erst gestern bekannt wurde. Wie die italienische Zeitung „La Repubblica“ berichtete, soll Putin in einem Telefongespräch mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso gedroht haben, russische Truppen bis nach Kiew zu schicken. Barroso habe den russischen Präsidenten wegen der grenzübergreifend operierenden Soldaten am Wochenende zur Rede stellen wollen. Daraufhin habe Putin geantwortet, das Entscheidende sei vielmehr: „Wenn ich wollte, könnte ich in zwei Wochen Kiew einnehmen.“ Laut "Repubblica" haben Vertreter mehrerer Delegationen den Wortwechsel bestätigt.

Cameron übt scharfe Kritik

Am Montag sprach der britische Premier, David Cameron, von einer „inakzeptablen“ Präsenz russischer Truppen in der Ukraine. Auch die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, kritisierte Moskau scharf: „Russland unternimmt den Versuch, bestehende Grenzen unter Androhung oder sogar unter Einsatz von Gewalt zu verschieben.“ Mit diesem Vorgehen verletze Russland die Grundfesten der europäischen Nachkriegsordnung. Dieser Bruch des Völkerrechts könne nicht folgenlos bleiben.

In der Ostukraine muss Kiew seit Tagen militärische Rückschläge erleben. Nach heftigen Kämpfen mit den Separatisten gaben die ukrainischen Streitkräfte gestern den Flughafen Luhansk auf. Laut Kiew soll an den Gefechten auch ein russisches Panzerbataillon beteiligt gewesen sein. Die Separatisten gaben an, ein Kampfflugzeug und zwei Helikopter abgeschossen zu haben.

Im Asowschen Meer war am Sonntag ein Boot von prorussischen Kämpfern versenkt worden. Zwei Angehörige der Küstenwache werden vermisst. Armee und Freiwilligenbataillone befürchten einen bevorstehenden Angriff auf die Stadt Mariupol. Am Montag hoben Bürger am Rande der Stadt Schützengräben aus.

Neue Gespräche in Minsk

Unterdessen fanden am Montag neue Gespräche der Konfliktparteien in Minsk statt. Die Hoffnungen auf eine Einigung waren aber verhalten. Zu den Teilnehmern des Treffens der Ukraine-Kontaktgruppe gehörte neben dem ehemaligen ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma auch Heidi Tagliavini als Vertreterin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Russland wurde von seinem Botschafter in der Ukraine, Michail Surabow, repräsentiert. Die prorussischen Separatisten schickten unter anderem Andrej Purgin, Vizepremier der selbst ernannten Donezker Volksrepublik.

Die Vertreter der Separatisten reisen gestärkt in die weißrussische Hauptstadt. Bei mehreren Medienauftritten hatte ihnen der russische Präsident Putin zuletzt Rückendeckung gewährt. So hatte Putin etwa Kiew aufgefordert, Verhandlungen für eine Eigenstaatlichkeit der Südostukraine zu beginnen – allerdings innerhalb des ukrainischen Staates, wie sein Sprecher wenig später präzisierte.

Wahrscheinlich ist, dass Russland damit versucht, vor dem am Donnerstag beginnenden Nato-Gipfel in Wales Fakten zu schaffen. Bei dem Treffen wird der Ukraine-Konflikt viel Raum erhalten. Erwartet wird, dass die Nato unter anderem eine Verstärkung ihrer Präsenz in Osteuropa beschließen wird. Die Autonomie für die beiden selbst ernannten Volksrepubliken aus dem Donbass ist Moskaus Druckmittel, um eine Annäherung oder gar einen Beitritt Kiews zu dem Militärbündnis zu verhindern. Zudem droht die Europäische Union binnen einer Woche mit der Verhängung neuer Sanktionen.

AUF EINEN BLICK

Nach einem Monat Pause ist die Ukraine-Kontaktgruppe unter Beteiligung der prorussischen Separatisten in Minsk zusammengekommen. Die Separatisten aus Donezk und Luhansk schickten am Montag zwei Unterhändler in die weißrussische Hauptstadt. Russland und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vermitteln bei den Treffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2014)

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