Renzi ist nach sechs Monaten entzaubert

(c) APA/EPA/ANGELO CARCONI (ANGELO CARCONI)
  • Drucken

Vom Reformeifer blieb nicht viel: Italien stürzt in Deflation und Rezession. Die Arbeitslosigkeit stieg auf derzeit 12,6 Prozent.

Rom. Italien ereilen drei Hiobsbotschaften auf einmal: Im Juli fielen die Konsumgüterpreise um 0,1 Prozent; das Land befindet sich zum ersten Mal seit 55 Jahren in einer Deflation. Zweitens schrumpfte die Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent: Italien ist wieder in einer Rezession. Drittens stieg die Arbeitslosigkeit auf 12,6 Prozent und beträgt nun bei den 18- bis 25-Jährigen gar 43 Prozent. Und dann sind da noch die Schulden, die sich seit November 2011, als Italien am Rand des Kollaps stand, von 119 auf 133 Prozent des BIPs erhöht haben. Damit bleibt das Land eine Gefahr für die Eurozone. Kein Rettungsschirm wäre groß genug, um die Schulden aufzufangen.

Der junge Regierungschef Matteo Renzi wollte Italien modernisieren, Verkrustungen aufbrechen, die alte Politikergarde „verschrotten“. Pro Monat eine Reform hatte der 39-Jährige versprochen. Doch Renzis Bilanz nach sechs Monaten ist mager. Die Abschaffung der überflüssigen Provinzverwaltungen ist zwar beschlossen, aber noch längst nicht vollzogen. Die Reform des Senats hat gerade einmal die erste von mindestens vier Lesungen hinter sich. Und die Senkung der Lohnnebenkosten bei elf Millionen Geringverdienern um 80 Euro monatlich entpuppte sich als wirkungslos. Mehr hat Renzi bis jetzt nicht vorzuweisen.

In seiner gewohnt forschen Art wollte der Premier gestern ein neues – selbstverständlich wieder „epochales“ – Reformpaket präsentieren. Etwas mehr als 40 Milliarden Euro wollte er in Infrastrukturprojekte pumpen und nebenbei auch noch die extrem langsame Justiz sowie das Bildungssystem reformieren. Doch am Vorabend bestellte der greise Staatspräsident Giorgio Napolitano den ungestümen Premier zu sich: Er riet ihm, besser vorbereitete, konsensfähige und vor allem finanzierbare Vorlagen zu präsentieren. Die vorgesehenen 40 Milliarden Euro reduzierten sich in der Folge auf knapp vier Mrd. (zwei Drittel davon EU-Gelder), die Justizreform wurde offener formuliert – und die Bildungsreform verschoben. (strau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

Italien schlittert erstmals seit 50 Jahren in die Deflation

Die Preise sind im August um 0,1 Prozent gesunken. Die Wirtschaftsleistung schrumpfte trotz der Reformbemühungen im zweiten Quartal um 0,2 Prozent.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.