Die Kriegsverbrechen des Kiew-treuen Aidar-Bataillons

UKRAINE CRISIS
UKRAINE CRISISAPA/EPA/ANASTASIA VLASOVA
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Sie erpressen Geld, schlagen ihre Opfer in einem geheimen Gefangenenlager: Ein Bericht von Amnesty International dokumentiert Gräueltaten in Luhansk.

Sie kämpfen auf beiden Seiten des Kriegs: paramilitärische Truppen, sogenannte Freiwilligen-Bataillons. Über 30 davon sollen alleine gegen die prorussischen Separatisten im Einsatz stehen. Eines davon ist das Aidar-Bataillon. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft dessen Kämpfern nun Kriegsverbrechen im Raum Luhansk vor.

Das Bataillon sei nach militärischen Erfolgen in der Region buchstäblich außer Kontrolle. Und das obwohl es offiziell unter dem Dach der Einsatzzentrale ukrainischer Sicherheitskräfte steht. "Während das Bataillon auf nationaler Ebene von vielen als entschlossene Kampftruppe gepriesen wird, steht es bei der Lokalbevölkerung wegen brutaler Vergeltungsmaßnahmen, Räubertums und Erpressungen im Verruf", schreibt Amnesty International.

Ende August in Novodruzhesk in der Provinz Luhansk: Einem Bergarbeiter brechen zwei bewaffnete Männer den Kiefer, fesseln ihm mit Isolierband und verbinden ihm die Augen und bringen ihn in ein Gefangenenlager. So erzählt es Andriy (Name geändert) einem  Mitarbeiter von Amnesty International. Nach einem Tag kommt er frei, die Polizei hilft ihm, an sein Handy und zwei Reisepässe zu kommen. Er habe persönlich dafür gesorgt, dass dem Mann seine Wertgegenstände zurückgegeben werden, wird der Kommandant des Aidar-Bataillons später behaupten. Doch Kreditkarte und Führerschein haben die Kämpfer behalten. Später wird damit Geld behoben, sagt das Opfer gegenüber Amnesty International.

Ein 31-jähriger Geschäftsmann will in Starobilsk bei Luhanks auf einer aufgelassenen Tankstelle eine Klopause einlegen, als plötzlich drei maskierte Männer aus einem Wagen springen. Sie ziehen ihm eine Waffe über den Kopf, nehmen ihm umgerechnet knapp 1700 Euro ab. Immer wieder werfen sie ihm vor, ein Separatist zu sein. „Dreimal wurde ich verhört. Und dabei immer geschlagen - mit dem Gewehr, mit dem stumpfen Ende einer Axt in die Nieren", sagt der Mann.

Anmesty International will insgesamt mehrere Dutzende Opfer der Schergen des Aidar-Bataillons ausgemacht haben. Im Regelfall würden Bauern oder Geschäftsleute entführt und in das Gefangenenlager gebracht. Einige werden später nicht freigelassen, sondern dem Geheimdienst übergeben.

"Die Prozeduren wurden vereinfacht"

Der Kommandant des Aidar-Batiallons gibt gegenüber Amnesty International die brutalen Methoden teilweise zu: „Das ist nicht Europa. Es ist alles ein bisschen anders. Die Prozeduren wurden vereinfacht. Wenn ich will, kann ich einen Sack über deinen Kopf ziehen und dich für 30 Tage einsperren - wegen des Verdachts der Hilfe für Separatisten." Er gibt auch zu, dass Verdächtige geschlagen und dass ihnen die Augen verbunden wurden. Und dass sein Bataillon ein eigenes Gefangenenlager unterhält.

Salil Shetty, Generalsekretär von Amnesty International und derzeit auf hochrangiger Mission in Kiew, forderte am Montag bei einem Treffen mit dem ukrainischen Premierminister Arsenij Jazenjuk, Verstöße und Kriegsverbrechen, die von proukrainischen Milizen verübt werden, umgehend zu stoppen.

Amnesty International hatte bereits am Wochenende über Kriegsverbrechen auf beiden Seiten der Front berichtet. Ivan Simonivic erklärte, dass in der Ostukraine ganze Städte als „menschliche Schutzschilde" missbraucht würden. Flüchtlinge würden an Checkpoints ausgeraubt und eingeschüchtert. "Ich appelliere daher an beide Seiten, die Menschenrechte auf jeden Fall einzuhalten", so Simonovic. Die Situation habe sich dramatisch verschlechtert.

"Sie tötet unser Kinder"

Die Nachrichtenagentur AFP brachte am Montag ein Interview mit Irina Dowgan, deren Schicksal um die Welt ging. Das Martyrium der 52-Jährigen begann am 24. August, als Dutzende Rebellen ihr Haus bei Donezk stürmten. Die 52-Jährige wurde stundenlang gequält, getreten und geschlagen. "Sie haben so dicht an meinen Ohren vorbeigeschossen, dass ich fast taub wurde", wird Dowgan zitiert. Zum Schluss wurde sie drei Stunden lang in der Rebellenhochburg an einen Laternenpfahl gestellt. Über den Kopf bekam sie einen Haarreifen mit zwei ukrainische Flaggen als lächerliche Ohren. Und sie hängten der Frau ein Schild um den Hals: „Sie tötet unsere Kinder."

(strei)

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