Russland-Sanktionen beschlossen: EU driftet in Wirtschaftskrieg

A contrail left by a passenger plane is seen behind a Russian state flag as it passes over the Siberian city of Krasnoyarsk
A contrail left by a passenger plane is seen behind a Russian state flag as it passes over the Siberian city of KrasnoyarskREUTERS
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Die EU beschloss ein weiteres Maßnahmenpaket wegen der Ukraine-Krise. "Wir wollen jetzt Taten sehen", sagte Angela Merkel.

Es war ein Funken neuer Hoffnung, dass der Ukraine-Konflikt doch noch friedlich gelöst werden könne: Die Waffenruhe, die seit Freitagabend in der Ostukraine gilt. Doch am Montag deutete alles darauf hin, dass sich die Lage zuspitzt. Während die Waffenruhe rund um ukrainische Städte wie Mariupol und Donezk nicht hielt, beschloss die EU am Montagabend neue Strafmaßnahmen gegen Russland.

Die EU wird am Sanktionskurs gegen Russland nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel trotz des ausgehandelten Friedensplans mit der Ukraine festhalten. Russland sei bis jetzt mit Waffen und Truppen an dem Konflikt in der Ostukraine beteiligt, kritisierte Merkel. "Wir wollen jetzt Taten sehen." Wenn die zwölf Punkte des Friedensplans von Russlands Präsident Wladimir Putin und seinem ukrainischen Kollegen Petro Poroschenko umgesetzt würden, könne man auch über die Aufhebung von Sanktionen reden.

Reaktion des Westens sei zwingend

Der Westen müsse darauf reagieren, dass Russland direkt in seinem Nachbarland eingreife, sagte Merkel. "Und was ist die Möglichkeit zu reagieren? Das sind Sanktionen", betonte sie. Der Nachteil eines Nicht-Handelns sei größer als mögliche Nachteile für die deutsche Wirtschaft durch Sanktionen. "Wenn wir zur Normalität zurückkehren, werden wir natürlich auch die Sanktionen wieder aufheben", betonte sie. Man wolle die "langfristige Grundlage für eine Kooperation mit Russland auch nicht aufgeben".

Die Sanktionen sollen nicht sofort, sondern möglicherweise erst am Freitag in Kraft treten, teilte der scheidende EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy mit. Laut Diplomaten sind etwa die Bank des staatlich kontrollierten Energiekonzerns Gazprom und dessen Ölsparte Gazprom Neft betroffen. Weitere Reise- und Kontensperren treffen Personen aus der russischen Politik und Wirtschaft sowie ukrainische Separatisten; Namen wurden nicht bekannt gegeben.

Waffenembargo gegen Moskau

Insgesamt ging es um Maßnahmen in sechs Feldern: Russischen Banken und staatsnahen Betrieben soll der Zugang zum europäischen Kapitalmarkt erschwert werden. Die Liste mit Personen, die Kontosperren und Einreiseverboten unterworfen sind, sollte ausgeweitet werden. Dazu ein Waffenembargo und Exportverbot von sowohl militärisch als auch zivil nutzbaren Gütern. Die EU nimmt den Export von Erdöltechnik ins Visier, und: Russland soll keine Bühne für Sportgroßereignisse erhalten.

Mit dem Aufschub solle Zeit gegeben werden, um die Waffenstillstandsvereinbarungen und den Friedensplan zu bewerten. "Abhängig von der Situation vor Ort ist die EU bereit, die vereinbarten Sanktionen ganz oder teilweise zu überprüfen", teilte van Rompuy weiter mit.

Noch keine Veröffentlichung

Die Maßnahmen sollen dann in Kraft treten, wenn sie im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Nach Angaben von EU-Diplomaten wären von den neuen EU-Sanktionen im Finanzbereich auch die russischen Ölkonzerne Rosneft, Transneft und Gazprom Neft betroffen.

Intern hatte es heftige Diskussionen gegeben, da einige Länder wie Ungarn und die Slowakei bremsten. Also wurde in das neue Sanktionsregime ein Mechanismus eingebaut, der es ermöglicht, einzelne Maßnahmen sofort zurückzunehmen, sollte es das Verhalten Russlands erlauben.

Mögliche russsiche Luftraumsperre

Russland hatte indes Gegensanktionen angekündigt. Etwa die Sperre des russischen Luftraums für Fluglinien aus der EU. Damit hat Moskau bereits Anfang August gedroht. Jetzt könnte diese Drohung umgesetzt werden - mit schmerzhaften Folgen für europäische Linien: Über die Transsibirien-Route sparen sie sich bei Flügen nach Asien und Australien enorme Umwege, und damit Geld. Laut russischer Luftfahrtbehörde seien das mehr als 20.000 Euro pro Flug.

Bei der AUA wären von einer Sperre des russischen Luftraums drei Flüge pro Tag betroffen. Jene nach Tokio, Peking, Astana führen über Russland. „Wir könnten sie jedoch verhältnismäßig leicht umplanen", heißt es bei der AUA. Dies wäre bei Tokio und Peking jedoch mit einem Umweg von 1,5 bis zwei Stunden und höheren Kosten verbunden. Wie hoch diese sind, könne man noch nicht sagen, da man sich die Details erst ansehen müsse. Deutlich drastischer wären die Auswirkungen für die AUA, würde auch das Anfliegen russischer Städte unterbunden. Davon wären pro Tag bis zu sechs weitere Flüge zu vier Destinationen (St. Petersburg, Rostow, Krasnodar, Moskau) betroffen.

Poroschenko schickt Panzer

Auch in der Ukraine selbst wurde der Ton schriller: „Der Feind wird eine vernichtende Niederlage erleiden", donnerte Präsident Petro Poroschenko bei einem Besuch in Mariupol. Die wichtige Hafenstadt ist seit Tagen umkämpft. Einheiten der prorussischen Aufständischen versuchen, sie zu erobern. Auch am Wochenende sind trotz Waffenruhe die Gefechte weitergegangen.

Poroschenko kündigte am Montag an, weitere Panzer und Raketenartillerie in die Hafenstadt zu schicken. „Das ist unser ukrainisches Land, wir werden es niemandem überlassen." Zuvor hatten die Rebellen verlautbart, dass sie weiter an einer Abspaltung von der Ukraine arbeiten würden. (red., ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2014)

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