Polen: Ewa Kopacz zur Regierungschefin ernannt

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Die 57-jährige Parlamentspräsidentin, eine frühere Kinderärztin, folgt dem künftigen EU-Ratspräsident Donald Tusk als Premierministerin.

13 Jahre hat Ewa Kopacz gebraucht, um vom einfachen Mitglied der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO) in Polen zur Regierungschefin zu avancieren. Sie war engste Vertraute von Premier Donald Tusk, der als EU-Ratspräsident nach Brüssel wechselt. Am Montag wurde sie von Staatspräsident Bronislaw Komorowski zu seiner Nachfolgerin ernannt.

Die neue Regierungschefin begann ihre politische Karriere in der liberalen Freiheitsunion (UW), für die sie 1998 in den Landtag der Woiwodschaft Mazowieckie gewählt wurde. Bei der Parlamentswahl darauf trat sie dann bereits für Tusks neue PO an. Eine gute Entscheidung, denn die UW schaffte den Einzug ins Parlament nicht mehr.

Logische Wahl als Gesundheitsheitsministerin

Nach der Parlamentswahl 2005, die die PO knapp gegen die rechtskonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verlor, wurde Kopacz als erfahrene Ärztin Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Sejm. Als die PO zwei Jahre später nach vorgezogenen Wahlen die Regierung übernahm, war sie die logische Gesundheitsministerin.

Als Ministerin schreckte Kopacz trotz heftiger Kritik der Opposition vor umstrittenen Reformen nicht zurück. Erfolgreich setzte sie im Parlament ein ganzes Paket an Gesundheitsreformen durch, darunter die Möglichkeit für Gemeinden, selbst über die Privatisierung von Spitälern zu entscheiden. So sollten die Krankenhäuser wirtschaftlicher geführt werden. Es stellte sich heraus, dass die Gemeinden die Anstalten aber lieber subventionieren als kommerzialisieren. Die PiS betrieb damals die Absetzung Kopaczs, aber die Regierungskoalition schmetterte ein Misstrauensvotum ab.

Sie half bei Absturz im Seziersaal aus

Auf internationaler Ebene wurde Kopacz bekannt, als sie 2009 den Kauf von Impfstoffen gegen die Schweinegrippe wegen geringer Wirkung und nicht ausreichender Tests auf Nebenwirkungen ablehnte. Kopacz nannte Verträge, die andere Regierungen mit Pharmaunternehmen damals unterschrieben, "nicht optimal". Später stellte sich heraus, dass die polnische Gesundheitsministerin recht hatte: Die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Impfstoffe waren bei zu wenigen Patienten untersucht worden, und der Schweinegrippe-Virus selbst erwies sich weniger gefährlich als erwartet. Das Vorgehen Kopaczs ersparte dem Staatsbudget große Verluste.

Die dramatischsten Momente als Ministerin erlebte Kopacz nach dem Absturz der polnischen Regierungsmaschine im April 2010 bei Smolensk in einem Moskauer Seziersaal. Sie half bei der Identifizierung der Leichen. Sie versicherte damals, dass die russischen Behörden alles Erdenkliche täten, um alle sterblichen Überreste, darunter jene von Staatspräsident Lech Kaczynski, zu finden. Als später ans Licht kam, dass Leichen vertauscht wurden, und die Identifizierung nicht so sorgfältig war wie versichert, brach eine Welle der Kritik gegen die Politikerin los. PiS-Abgeordnete warfen ihr ein Verbrechen gegen die Opferfamilien sowie die Schändung von Leichen vor.

Tusks Thronfolgerin

Als Tusk 2011 das Vertrauen zu seinem Vertrauten Grzegorz Schetyna verloren hatte, schlug der Premier die Gesundheitsministerin als erste Frau für den Posten der Parlamentspräsidentin (Sejm-Marschalllin) vor. So wurde Kopacz zu einer der einflussreichsten Politikerinnen der PO. Ihre Position in der Partei wurde immer stärker. 2013 verdrängte sie Schetyna auch noch als Vizechef der Bürgerplattform.

Beobachter sind sich einig: Kopacz war als Ministerin, Parlamentschefin und Vize-Parteichefin stets loyal gegenüber . So war es keine Überraschung, als er sie bei seinem Rücktritt zu seiner Nachfolgerin kürte. Ewa Kopacz ist übrigens nicht die erste Frau an der Regierungsspitze in Warschau. In den 1990er-Jahren gab die Rechtsprofessorin Hanna Suchocka ein Debüt als Ministerpräsidentin. Sie blieb aber nicht einmal ein Jahr. Später amtierte sie als Justizministerin, ehe sie zwölf Jahre als Botschafterin im Vatikan fungierte.

(APA)

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