Schweden: Warum Reinfeldt scheiterte

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Schweden Wahl(c) APA/EPA/JONAS EKSTROMER (JONAS EKSTROMER)
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Acht Jahre versuchte der bürgerliche Premier Reinfeldt, Schweden zu liberalisieren. Das Tempo war vielen Wählern zu hoch.

Stockholm. Vor gut acht Jahren hatte der nun abtretende bürgerliche Ministerpräsident, Fredrik Reinfeldt, seine einst konservativen Moderaterna erfolgreich zur „neuen Arbeiterpartei“ umgewertet. Mit umfangreichen Steuersenkungen und Privatisierungen wollte er die Arbeitslosigkeit senken.

Das ist ihm trotz beachtlicher Zwischenerfolge letztlich misslungen. Mit acht Prozent ist sie kaum verändert. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt sogar 20 Prozent. Vor allem junge Migranten sind von ihr betroffen. Das dürfte einer der Hauptgründe für die Wahlniederlage des Ministerpräsidenten sein. Reinfeldt will nun im Frühjahr auch den Parteivorsitz abgeben.

Dass er Schweden relativ unbeschadet durch die Wirtschaftskrise von 2008 geführt, Haushaltsüberschüsse erzielt und unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen dennoch 300.000 neue Jobs geschaffen hat, wurde Reinfeldt nicht mehr angerechnet. Am Sonntag stürzte seine Partei um 6,7 Prozentpunkte auf 23,2 Prozent ab. Auch Reinfeldts drei kleinere bürgerliche Regierungspartner – das Zentrum, die Volkspartei und die Christdemokraten – verloren Stimmen.

Reinfeldt hatte den schwedischen Wohlfahrtsstaat zurückgestutzt, das Arbeitslosengeld gekürzt, die Vermögensteuer hingegen abgeschafft. Er senkte die Unternehmenssteuern, Einkommensteuern und Steuern für Putzhilfen und Kindermädchen. Das kurbelte die Wirtschaft an. Für einen Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt reichte es nicht.

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Als Bumerang im Wahlkampf erwies sich die Privatisierung des Schulsektors sowie der Alten- und Krankenversorgung. Beim letzten PISA-Test war das schwedische Schulwesen im europäischen Vergleich weit zurückgefallen. Und Medien berichteten wiederholt von Missständen in der gewinnorientierten Kranken- und Altenversorgung. Die Liberalisierungen gingen vielen Mittewählern offenbar doch zu schnell. Die bürgerliche Allianz fiel um zehn Prozentpunkte auf insgesamt 39,3 Prozent zurück.

Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Stefan Löfven, ein gestandener Gewerkschafter, konnte von der Unzufriedenheit profitieren. Er versprach weniger Arbeitslosigkeit, bessere Schulen und mehr staatliche Kontrolle des privaten Sektors sowie höhere Steuern. Schweden solle wieder sozialer werden, so der Tenor.

Diese Versprechen haben Löfvens Linksbündnis, zu dem auch die vermutlich an der kommenden Regierung direkt beteiligten Grünen und die als Stützkraft vorgesehene Linkspartei gehören, zumindest geholfen, ihre Stimmenanteile von vor vier Jahren zu halten. Zusammen verfügen sie ähnlich wie 2010 über 43,7 Prozent.

Die eigentlichen Sieger sind die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD). Mit ihrer Hauptforderung, die Einwanderung drastisch zu reduzieren, konnten sie ihren Stimmenanteil mit 12,9 Prozent mehr als verdoppeln (siehe nebenstehender Artikel). Deren Chef, Jimmie Åkesson, hofft nun auf die Rolle des Königsmachers. Ohne ihn hat keine Seite eine Mehrheit.

Minderheitsregierung angepeilt

Doch der künftige Ministerpräsident Löfven strebt eine Minderheitsregierung an. Eine große Koalition über die Blockgrenzen hinweg schloss er aus. Den Schwedendemokraten will er keinerlei Macht einräumen. Indes lotet er Möglichkeiten zur parlamentarischen Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien aus. Bisher wird die SD von allen Parteien geächtet. In den Jugendorganisationen der bürgerlichen Parteien, aber auch der Sozialdemokraten brodelt es jedoch. Sie wollen die Einwanderungspolitik nicht länger den Rechtspopulisten allein überlassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2014)

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