Ging Erdoğan einen Deal mit der IS-Miliz ein?

(c) REUTERS (STRINGER/TURKEY)
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Die Freilassung von 49 Geiseln aus der Gewalt der Jihadisten sorgt in Ankara für Rätselraten. Die Regierung spricht von einer Befreiungsaktion à la Hollywood. IS-Offensive treibt zehntausende syrische Kurden über die Grenze.

Istanbul. Nach der Freilassung der türkischen Geiseln aus der Gewalt der Jihadisten-Miliz Islamischer Staat (IS) wird das Nato-Land Türkei immer stärker in den Konflikt mit den Extremisten hinheingezogen. An der syrischen Grenze strömten am Wochenende innerhalb von nur 24 Stunden rund 70.000 syrische Kurden auf der Flucht vor dem IS in die Türkei. Kurdenpolitiker warfen Ankara gleichzeitig vor, jede Unterstützung für die syrischen Kurden im Kampf gegen den IS zu verhindern und so den Extremisten zu helfen.

Die 46 türkischen und drei irakischen Geiseln, die im Juni bei der Erstürmung des türkischen Generalkonsulats im nordirakischen Mossul durch den IS in die Gewalt der Jihadisten gerieten, kehrten am Samstag in die Türkei zurück. Präsident Recep Tayyip Erdoğan und die regierungsnahe Presse sprachen von einer Befreiungsaktion, die in Hollywood-Manier abgelaufen sein soll. Die Zeitung „Takvim“ berichtete, der türkische Geheimdienst MIT habe den IS hereingelegt. Die IS-Geiselnehmer hätten die Gefangenen türkischen Agenten in IS-Uniformen übergeben und geglaubt, die Geiseln sollten lediglich an einen anderen Ort verlegt werden.

Dagegen war bei Kommentatoren und beim IS selbst von einer freiwilligen Übergabe der Geiseln die Rede. Laut IS sagte die Türkei dabei zu, sich nicht an den geplanten westlichen Militärschlägen in Syrien zu beteiligen. Erdoğan selbst schließt eine aktivere Beteiligung aber nicht mehr aus. Bei einem Treffen mit den freigelassenen Geiseln sagte er, die Türkei habe entsprechende Anfragen der Verbündeten aus Rücksicht auf das Leben der Gefangenen bisher „nicht sofort“ mit Ja beantworten wollen.

Die Türkei gerät indessen immer stärker in den Strudel der Eskalation. Seit Tagen greift der IS die Einheiten der syrischen Kurden an der Grenze zur Türkei bei der Stadt Ayn al-Arab an und treibt damit Zehntausende über die Grenze. Nach UN-Angaben könnten demnächst mehrere hunderttausend weitere Menschen in der Türkei ankommen. In der Türkei rief die PKK ihre Anhänger auf, über die Grenze nach Syrien zu gehen und gegen den IS zu kämpfen. Mehrere hundert Kämpfer folgten dem Aufruf. Kurdenpolitikern zufolge ist es Ankara nur recht, wenn der IS die kurdische Autonomie auf der syrischen Seite der Grenze zerschlägt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2014)

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