Syrischer Kurdenführer: „Wir brauchen Panzerabwehrwaffen“

PYD-Vorsitzender Salih Muslim
PYD-Vorsitzender Salih MuslimClemens Fabry
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Der Co-Vorsitzende der syrischen Kurdenpartei PYD, Salih Muslim, fordert Hilfe gegen die Extremistenorganisaion "Islamischer Staat".

Seit Monaten attackieren Truppen des sogenannten Islamischen Staates (IS) die Kurdengebiete in Syrien. Nun versuchen sie dabei erneut, die Stadt Kobane zu erobern. Syriens Kurdengebiete – von den Kurden Rojava genannt – haben sich in den Wirren des Bürgerkrieges eine Selbstverwaltung erkämpft. Dominierende Kraft in Rojava ist die Partei der Demokratischen Union (PYD), eine Schwesterpartei der türkisch-kurdischen Untergrundorganisation PKK. Der „Presse“ gelang es, den PYD-Vorsitzenden, Salih Muslim, für ein Telefoninterview zu erreichen.

Wie sieht derzeit die Lage rund um Kobane aus?

Salih Muslim: Tausende Zivilisten versuchen weiterhin, in die Türkei zu gelangen – vor allem alte Menschen und Kinder. In den vergangenen Nächten gab es heftige Gefechte. Unsere YPG-Volksverteidigungseinheiten haben es geschafft, den Vorstoß des Islamischen Staates östlich und südlich von Kobane zu stoppen. Doch die Kämpfe gehen weiter, vor allem westlich von Kobane. Die IS-Angriffe halten an, aber Kobane leistet Widerstand.

Warum hat der IS gerade jetzt diese Großoffensive gestartet?

Ich denke, sie sahen eine günstige Gelegenheit für einen Angriff. Denn es wird gerade eine internationale Koalition gegen den IS gebildet, und sie wollten vermutlich noch vorher zuschlagen – solange es noch möglich ist. Unsere Rivalen nördlich von uns (die Türkei, Anm.) könnten beteiligt sein: Der IS hat gerade die türkischen Geiseln freigelassen, die in Mossul festgehalten wurden. Vielleicht gab es im Zuge davon irgendwelche Übereinkommen zwischen dem IS und der Türkei. Dafür haben wir keine Beweise. Was wir aber wissen, ist, dass 1500 IS-Kämpfer über die Türkei nach Rojava einsickern konnten.

Die PKK hat die Kurden in der Türkei dazu aufgerufen, nach Kobane zu kommen, um zu kämpfen. Wird das nicht zu Problemen mit Ankara führen, denn sie müssten dann ja über die türkische Grenze nach Kobane marschieren?

Wenn es einen Genozid gegen die Bewohner von Kobane gibt, kann man ja den Menschen nicht verbieten zu kommen, um zu helfen. Familien haben Angehörige auf beiden Seiten der Grenze. Natürlich eilen dann junge Leute aus dem Norden nach Rojava, um ihre Verwandten zu retten.

Was erwarten Sie nun von der internationalen Gemeinschaft?

Der IS greift uns mit Panzern und schwerer Artillerie an. Wir haben keine schweren Waffen, mit denen wir die IS-Panzer stoppen könnten. Der Islamische Staat hat derzeit bei Kobane mehr als 50 teils moderne Panzer im Einsatz. Wir haben nur unsere klassischen Infanteriewaffen. Das ist das Problem. Die internationale Gemeinschaft muss uns die nötige Ausrüstung liefern, damit wir uns gegen die Panzer zur Wehr setzen können. Wir haben genug motivierte Leute, die kämpfen. Uns fehlt aber die nötige Technologie.

Das heißt, Sie verlangen Waffen?

Ja, wir brauchen Panzerabwehrwaffen.

Die Waffen, die der Westen liefert, sollen aber an die kurdischen Peschmerga im Irak gehen. Die USA und die Europäer haben klargemacht, dass die PKK und die mit ihr verbündeten YPG-Einheiten in Syrien nichts bekommen.

Wir kämpfen jetzt schon seit Monaten ganz auf uns allein gestellt gegen den IS. Unsere YPG hat bisher von niemandem Hilfe erhalten.

Aber denken Sie, dass Sie jetzt Waffen erhalten werden?

Das hoffen wir. Aber ich fürchte auch, dass das schwierig wird.

Wie sieht angesichts der Flüchtlingswelle die humanitäre Lage in Syriens Kurdengebieten aus?

Wir brauchen jetzt rasch Hilfe aller internationalen Organisationen. Viele der Flüchtlinge lagern auf offenem Feld und haben in der Nacht kein Dach über dem Kopf.

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