Russlands Völkermordvorwurf: Ukraine revanchiert sich

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Russland wirft der Ukraine vor, eine vollständige Beseitigung der russischsprachigen Bevölkerung im Osten geplant zu haben. Auch die Ukraine startet Ermittlungen gegen russische Beamte.

Russland und die Ukraine verlagern das Gezerre um die Ukraine nun auf juristische Ebene. Zunächst leitete die russische Justiz ein Strafverfahren wegen Völkermordes an den russischsprachigen Bewohnern im Bürgerkriegsgebiet Ostukraine eingeleitet.

Die russischen Ermittler hätten herausgefunden, dass seit den frühen Apriltagen (namentlich nicht genannte) Personen der politischen und militärischen Führung in der Ukraine den Befehl gegeben hätten, ausschließlich russisch-sprachige Bürger aus den - selbsternannten - Volksreprubliken Donetsk und Lugansk zu ermorden. Dies sei, zitierte die Agentur Itar-Tass den Untersuchungsbericht, unter anderem mittels Grad- und Uragan-Raketen geschehen, es sei auch - geächtete - Streumunition verwendet worden.

Die Ukraine kündigte im Gegenzug selbst Ermittlungen gegen russische Beamte an. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft kritisierte russische Strafverfahren gegen Ukrainer als Einmischung in die Arbeit der Justiz und der Streitkräfte des Landes.

Auch eine Gegenreaktion gab es prompt: Wladimir Markin von der Ermittlungsbehörde in Moskau bezeichnete die Reaktion Kiews nach Angaben russischer Agenturen am Dienstag als Verschleierungstaktik zum Schutz ukrainischer Beamter.

Moskau: "Ukraine verstößt gegen Völkerrecht"

Markin machte keine Angaben darüber, gegen wen konkret sich Russland ermitteln will. Es habe Befehle von führenden Politikern und Militärs sowie Angehörigen der Nationalgarde und der Nationalisten-Partei "Rechter Sektor" gegeben. In der Ostukraine seien bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und moskautreuen Separatisten mindestens 2500 Menschen getötet und mehr als 500 Häuser zerstört worden, sagte Markin. Mehr als 300.000 Menschen seien nach Russland geflüchtet. Damit sei gegen russisches Recht und gegen Normen des Völkerrechts verstoßen worden.

Bei der Ermittlungsbehörde handelt es sich um das Investigativ-Komitee der Russischen Föderation, eine Behörde, die direkt Präsident Wladimir Putin untersteht. Das ukrainische Militär und die prorussischen Separatisten machen sich gegenseitig für den Tod von Zivilisten verantwortlich. Russland wird in dem Konflikt vorgeworfen, die Separatisten mit Waffen und Truppen zu unterstützten. Nach UNO-Schätzungen kamen seit Ausbruch der Ukraine-Krise im April mehr als 3500 Menschen ums Leben.

Klimkin: Feuerpause "nicht nachhaltig"

In einem Interview äußerte unterdessen der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin verhaltene Hoffnung auf ein Fortdauern des Waffenstillstands. Die Lage sei weiter schwierig und die bisherige Feuerpause "nicht nachhaltig", er sei jedoch "vorsichtig, aber optimistisch", dass ein richtiger Waffenstillstand zustande komme, sagte der ukrainische Außenminister am Montag gegenüber der ZiB2.

Die Gewalt in der Ostukraine ist knapp einem Monat nach Vereinbarung einer Waffenruhe wieder auf dem Vormarsch. Bei Kämpfen mit prorussischen Separatisten seien binnen 24 Stunden neun Soldaten getötet und 27 weitere verletzt worden, sagte ein Militärsprecher am Montag laut der Nachrichtenagentur AFP. Die Behörden meldeten zudem vier zivile Todesopfer.

Mit den prorussischen Separatisten will die Regierung in Kiew weiterhin nicht sprechen - zumindest direkt nicht, wie Klimkin sagte. "Wie können wir Leute anerkennen, die viele getötet und Geiseln entführt haben?", fragte Klimkin. Es brauche einen politischen Prozess im Osten des Landes - so müssten auch im Donbass und in Luhansk Lokalwahlen abgehalten werden. "Die Leute sollen selbst wählen", sagte Klimkin.

(APA/AFP)

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