Holocaust: Österreich hat "nie volle Verantwortung übernommen"

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Yuli Edelstein, der Vorsitzende des israelischen Parlaments, sorgt vor seinem heutigen Besuch in Österreich für Aufsehen.

Im Vorfeld eines Besuches in Wien läßt Yuli Edelstein, der Vorsitzende der Knesset, des israelischen Parlaments, mit angeblichen Aussagen zu Österreichs Aufarbeitung des Holocaust aufhorchen: Das Online-Portal "Times of Israel" zitiert den Likud-Politiker mit der Aussage, Österreich habe "nie offiziell die volle Verantwortung für seine Rolle beim Holocaust übernommen".

Edelstein sollte am heutigen Dienstag gemeinsam mit Nationalratspräsidentin Doris Bures einen Kranz am Mahnmal für die österreichischen Opfer der Schoah am Judenplatz niederlegen und später im Parlament ebenfalls gemeinsam mit Bures mehrere Österreicher als "Gerechte unter den Völkern" ehren. Diese Auszeichnung wird von einer Kommission unter der Schirmherrschaft der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem an Personen vergeben, die mit persönlichem Einsatz und unter Gefährdung des eigenen Lebens, oft auch dem ihrer Familien, versucht haben, während des Naziregimes Juden zu retten.

Die "Times of Israel" zitiert Edelstein mit einer Aussage vom Vortag, seine "Gespräche mit der österreichischen Führung werden sich um Themen Terror und Hass drehen" und er werde die Notwendigkeit und "moralische Verpflichtung" Österreichs hervorheben, sich an den Sanktionen gegen den Iran und ihrer Verstärkung zu beteiligen.

"Was die Erinnerung an den Holocaust und die Lehren daraus betrifft", wird Edelstein dann zitiert, "werde ich - angesichts der Tatsache, dass Österreich nie offiziell volle Verantwortung für seine Rolle im Holocaust übernommen hat - bei meinen Treffen klarmachen, dass Israel umsomehr erwartet, dass Österreich weiter den Trend zum Neo-Nazismus innerhalb seiner Grenzen bekämpfen und die Erinnerung an den Holocaust lehren wird."

Vranitzkys Bekenntnis nicht erwähnt

Die "Times of Israel" kommentiert die zitierten Aussagen damit, das Edelstein Aussagen von Bundespräsident Heinz Fischer "zu ignorieren scheint, der im März sagte, dass die Bürger seines Landes volle Verantwortung für die Gräueltaten trügen, die während des Holocaust begangen wurden und hinzufügte, das Österreichs Aufgabe heute sei, den Antisemitismus in allen seinen Formen zu bekämpfen."

Das Online-Magazin bezieht sich damit auf einen Besuch des israelischen Präsidenten Shimon Peres in Wien, bei dem Fischer unter anderen "das jahrelange Verdrängen und Vergessen, ebenso wie das späte Erinnern" Österreichs ansprach und anfügte, auch nach dem Krieg sei der Umgang Österreichs mit dem Nationalsozialismus "von unsicherem Schweigen, von schlechtem Gewissen und vom Versuch des Verdrängens" geprägt gewesen. Erst innerhalb der vergangenen 25 Jahre habe sich dieses Bewusstsein geändert. Auch diese Passagen werden von "Times of Israel" zitiert.

Nicht erwähnt wird in dem Beitrag, dass bereits 1993 der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) in einer Rede in der Hebräischen Universität zu Jerusalem ein historisches Bekenntnis zur österreichischen Mitverantwortung für die Opfer des Nationalsozialismus abgelegt hatte.

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