Türkei bereitet sich auf Syrien-Intervention vor

TURKEY-SYRIA BORDER REFUGEES
TURKEY-SYRIA BORDER REFUGEESAPA/EPA/SEDAT SUNA
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An der Grenze zu Syrien fahren türkische Panzer auf. Am Donnerstag berät das Parlament über einen Militäreinsatz. Ein Kriegsgrund stünde schon bereit.

Die Türkei bereitet sich auf ein Eingreifen im benachbarten Syrien vor. Etwa drei Dutzend Panzer der türkischen Armee fuhren an der Grenze nahe der umkämpften syrischen Stadt Kobane auf – und drehten ihre Rohre in Richtung Syrien. In Ankara informierte Generalstabschef Necdet Özel das Kabinett von Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu über Pläne der Militärs zur Schaffung von Pufferzonen auf syrischem Boden. An diesem Donnerstag soll das Parlament in Ankara über einen möglichen Auslandseinsatz der Armee beraten.

Einen Kriegsgrund gäbe es bereits. Meldungen der regierungsnahen Zeitung „Yeni Safak“ zufolge wurden 36 türkische Soldaten, die in einer Exklave auf syrischem Territorium ein Mausoleum von Suleyman Shah (†1236), Großvater von Osman I. (Gründer des Osmanischen Reichs), bewachen, von rund 1100 IS-Kämpfern umzingelt. Vizeministerpräsident Bülent Arinc bestätigte am Dienstag Medienberichte, wonach sich Jihadisten in der Nähe des Grabmals von Süleyman Schah am Euphrat befänden. Arinc trat aber Berichten entgegen, das Grabmal sei von den Jihadisten besetzt und die Soldaten gefangenen genommen worden. 

"Beschützen Grab wie unser Heimatland"

Das Mausoleum von Suleyman Shah bereitet der türkischen Regierung schon seit geraumer Zeit Sorgen. Bereits vor zwei Jahren hatte Davutoglus Vorgänger Erdogan, der seit kurzem Staatspräsident ist, betont, dass die Türkei einen Angriff auf die Grabstätte als "Angriff auf unser Territorium" und damit auch als "Angriff auf das Territorium der Nato" ansehen würde. Was impliziert, dass er diesfalls auf die Beistandspflicht der Nato setzt.

Der IS, damals noch ISIS, hatte im heurigen März dann explizit gedroht, das Mausoleum anzugreifen und die Türkei zum Abzug ihrer Soldaten aufgefordert. Nach dieser Drohung sagte der damalige türkische Staatspräsident unmissverständlich, man werde das Grab beschützen "wie unser Heimatland".

Kurdenpolitiker quert Grenze

Kurdischen Milizen gelang es derweil, zehn Dörfer im Irak vom "Islamischen Staat" Islamisten zurückzuerobern. Die Orte liegen an der Grenze zu Syrien, nordwestlich der IS-Hochburg Mossul, wie es aus den Reihen der kurdischen Peschmerga hieß. Die Peshmerga bekamen dabei Luftunterstützung durch US-Kampfjets.

Währenddessen behielten die IS-Milizen bei den Kämpfen um die an der türkischen Grenze gelegene syrische Stadt Kobane die Oberhand und rückten bis zu zwei Kilometer an die Stadt heran. Sollte sie erobert werden, wird ein neuerliches Massaker befürchtet.

Als erster türkischer Spitzenpolitiker überquerte am Dienstag der Chef der Kurdenpartei HDP, Selahattin Demirtas, bei Kobane die Grenze auf syrisches Gebiet. Demirtas rief Türken und Kurden auf, gemeinsam gegen die Bedrohung durch den IS zu kämpfen. Die türkische Regierung solle den Kurden in Kobane helfen, denn dort würden „Werte der Menschlichkeit“ gegen die Barbarei verteidigt.

Demirtas will an diesem Mittwoch mit Premier Davutoğlu über die Lage an der Grenze reden. Ankara hat sich zwar zur Beteiligung an der internationalen Allianz gegen den IS in Syrien entschlossen, bisher aber nichts zur Unterstützung der kurdischen Verbände in Kobane getan. Im Gegenteil: Türkische Sicherheitskräfte an der Grenze halten immer wieder Kurden auf, die von der Türkei aus nach Syrien wollen, um sich den Kämpfen gegen den IS anzuschließen. Proteste gegen die türkische Haltung lösten in den vergangenen Tagen mehrmals Zusammenstöße zwischen kurdischen Demonstranten und der türkischen Polizei aus.

PKK bleibt skeptisch

Ankara ist besorgt, dass der Kampf gegen den IS am Ende der türkisch-kurdischen Rebellengruppe PKK zugute kommen könnte; die syrische Kurdenpartei PYD und deren Miliz YPG, die sich in Kobane gegen die Jihadisten stellt, sind Ableger der PKK.

Unterdessen feilen türkische Militärplaner an einem Einsatz zur Schaffung der Pufferzonen in Syrien. Laut Presseberichten wollte Generalstabschef Özel dem Kabinett zwei Varianten vorstellen. In der ersten würde ein dem gesamten Grenzverlauf folgender Gebietsstreifen auf syrischem Boden besetzt und gesichert. In der zweiten Variante würden von der türkischen Grenze aus mehrere taschenartig nach Syrien hineinragende Zonen unter Kontrolle genommen.

In den Pufferzonen sollen nach Vorstellungen der türkischen Regierung syrische Flüchtlinge versorgt werden können. Kurdenpolitiker sehen darin aber auch einen Versuch, die kurdische Autonomie auf der syrischen Seite der Grenze abzuwürgen.

(Güsten/Red.)

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