Ankara erklärt IS den Krieg

Ankara erklärt IS den Krieg
Ankara erklärt IS den Krieg(c) APA/EPA/KAYHAN OZER / PRESIDENTA (KAYHAN OZER / PRESIDENTAL PRESS)
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Das türkische Parlament erlaubt Militäreinsätze in Syrien und dem Irak. Die Islamisten haben mehrere Dörfer an der türkisch-syrischen Grenze erobert.

Kobane/Wien. Es wird eng für Kobane. Die kurdische Enklave in Syrien, nahe der türkischen Grenze, wird von den Terroristen des Islamischen Staates (IS) immer mehr umzingelt. Am Donnerstag nahmen die Jihadisten weitere Dörfer rund um die Stadt ein, wobei vor allem die unmittelbare Grenze zur Türkei betroffen war. Die schwarzen Fahnen der Islamisten sind nun in Sichtweite, Film- und Fotoaufnahmen zeigen IS-Kämpfer hinter dem Stacheldrahtzaun spazieren gehen.

Die türkische Regierung holte am Donnerstag die Zustimmung des Parlaments ein, um einen Militärschlag gegen die Terroristen starten zu können. Die Panzer stehen bereits seit Tagen an der Grenze bereit. Ankaras Ziel ist es, eine Pufferzone zwischen der Türkei und Syrien zu errichten: Die radikalen Islamisten sollen von der Grenze ferngehalten werden; man will in dem Gebiet aber auch Flüchtlinge unterbringen. Die Zone soll sowohl entlang der türkisch-syrischen als auch entlang der türkisch-irakischen Grenze verlaufen. Gleichzeitig sollen ausländische Militärstützpunkte auf türkischem Boden – etwa der Nato-Stützpunkt Incirlik nahe Adana – in den Kampf gegen den IS involviert werden.

Das Parlament – in dem die Regierungspartei AKP über eine satte absolute Mehrheit verfügt – stimmte mit 298 zu 98 Stimmen für das Kriegs-Mandat, das für ein Jahr gültig ist.
Die größte Oppositionspartei CHP und die Kurdenpartei HDP stimmten dagegen. Die Kriegserklärung Ankaras gegen den IS sei nur ein Vorwand, um das syrische Regime zu stürzen, erklärte Vizeparteichef der kemalistischen CHP, Faruk Loğoğlu. Die HDP wiederum lehnte das Mandat auch deshalb ab, weil in der geplanten Pufferzone mehrheitlich Kurden leben – sie würden die Kontrolle über das Gebiet an das Militär verlieren.

Geschäfte in Diyarbakir geschlossen

Unterdessen ist der IS auf drei Korridoren bis zur Stadt vorgedrungen, wobei jene kurdischen Kämpfer, die Kobane verteidigen, den westlichen Flügel bereits aufgeben mussten. Angeblich haben die Terroristen einzelne Häuser am Stadtrand besetzt, die Kurden bereiten sich auf Straßenkämpfe vor. Insgesamt sind sie aber schlechter ausgerüstet als die Jihadisten. Die US-Luftangriffe konnten den IS-Vormarsch auf Kobane bisher auch nicht aufhalten. Aus Solidarität mit den Eingeschlossenen in Kobane stand in der mehrheitlich von Kurden bewohnten Stadt Diyarbakir im Südosten der Türkei das Leben still: Geschäfte, Schulen und Behörden blieben Tag geschlossen. Der Vormarsch der Islamisten gefährdet auch den fragilen türkisch-kurdischen Frieden. Den mühselig ausverhandelten Friedensvertrag erklärte der inhaftierte PKK-Gründer Abdullah Öcalan für ungültig, sollte Kobane fallen und den Bewohnern ein Massaker drohen: „Ich rufe jeden in der Türkei, der nicht will, dass der Friedensprozess und der Weg zur Demokratie zusammenbrechen, auf, für Kobane Verantwortung zu übernehmen.“ Kurdenvetreter dementierten später, dass Öcalan dies gesagt habe.

Die Fronten sind jedenfalls verhärtet: Die Kurden könnten der Regierung vorwerfen, die Bevölkerung nicht genug geschützt zu haben; Ankara könnte befürchten, dass der aufreibende Konflikt mit der bewaffneten Kurdenpartei PKK erneut entfacht wird. In jedem Fall schickt sich der neu gewählte türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, an, seine erste Amtszeit mit einem Krieg zu beginnen. Umfragen zufolge befürwortet eine Mehrheit der Bevölkerung den Militärschlag. (duö)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2014)

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