Jeder Mensch gibt 202 Dollar für Waffen aus

(c) AP (Richard Lardner)
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Der Bericht des Friedens-Forschungs-Instituts „Sipri“ für 2007: Weltweites Kriegs-Geschäft auf Rekordniveau.

STOCKHOLM. Das Geschäft mit dem Krieg boomt: Die globalen Militärausgaben stiegen 2007 auf ein Rekordniveau, die Waffenkonzerne steigerten ihre Umsätze gewaltig und der Handel mit Kriegsmaterial bleibt lukrativ. Das Militär verschlingt 2,5 Prozent des globalen Sozialprodukts; erstmals lagen die Pro-Kopf-Ausgaben der Welt für Waffen bei mehr als 200 Dollar.

Dieses Bild zeichnet das Stockholmer Friedensforschungsinstitut „Sipri“ in seinem am Montag publizierten Jahrbuch. Die Anstalt, die eine der besten Militär-Datenbanken hat, bestätigt den Trend, den auch andere Institutionen aufzeigten. Sipri beziffert die globalen Militärausgaben auf 1,34 Billionen Dollar (858 Milliarden Euro) – um Inflation und Wechselkursschwankungen bereinigt plus sechs Prozent gegenüber 2006 und um 45% seit 1998, als man an die „Friedensdividende“ nach dem Ende des Kalten Krieges glaubte.

USA: 45% aller Militärausgaben

Statistisch gibt jeder Mensch für Rüstung laut Sipri 202 Dollar aus. Vergleich: Zur Verwirklichung der von der UNO verkündeten „Millenniums-Ziele“ zur Halbierung der Armut bis 2015 wären jährlich etwa 20 Dollar pro Person nötig.

Mit 45% tragen die USA fast die Hälfte aller Militärausgaben, gefolgt von Großbritannien und China mit je fünf Prozent. Deutschland (23,7 Mrd. € bzw. drei Prozent) liegt auf Platz sechs.

Die Einsätze im Irak und Afghanistan heizen das Geschäft an. 2007 waren die Ausgaben der USA höher als je zuvor, dennoch gaben sie in früheren Hochrüstungszeiten in Relation zur Wirtschaftskraft mehr für Krieg aus. Ähnliches gilt für China: Es verdreifachte das Militärbudget in der letzten Dekade; ob des großen Wirtschaftswachstums ist der Anteil am Sozialprodukt aber mit 2,1% recht klein. Am stärksten wachsen die Rüstungsetats Osteuropas mit 167% seit 1998; das folgte aber dem Kollaps der lokalen Waffenindustrie. Vor allem im Kaukasus wird, gespeist durch Öleinnahmen, gerüstet.

Russland: Bodenschätze als Waffe

Russlands Militärbudget stieg 2007 um 13%. Das neue Selbstvertrauen gebe Russland eine stärkere Stellung auf der Weltbühne, so Sipri. Moskau nütze den Reichtum an Bodenschätzen als politische Waffe, spiele europäische Partner gegeneinander aus, wolle die transatlantischen Bande schwächen und den Einfluss auf ex-sowjetische Staaten erneuern. Gleichzeitig scheine es erpicht, kooperative Beziehungen mit dem Westen zu wahren und werde kaum riskieren, diese zu heftig herauszufordern.

Fünf der sechs größten Rüstungskonzerne kommen aus den USA. Die Top-100 hatten ein Wachstum um acht Prozent, wobei 41 US-Firmen für 61% der Umsätze stehen, 34 westeuropäische für 29%. Besonders gefragt sind Kommunikationssysteme, Panzer und russische Luftabwehrsysteme.

Der internationale Waffenhandel erlebte indes nach dem Spitzenjahr 2006 einen Rückgang; das sei aber temporär, meint Sipri: Die Auftragslage zeige nach oben und im Fünf-Jahres-Trend sei ein Zuwachs um 7% zu sehen. Größter Waffenexporteur 2003-07 sind die USA (31%) vor Russland (25%) und Deutschland (10%). Sechs der acht größten Exporteure sind EU-Staaten, wobei Deutschland zulegt: 2007 betrug der Anteil 14%, die Türkei, Griechenland und Südafrika waren die Hauptkunden.

China: Bester Weltmarkt-Kunde

Bester Waffenkunde bleibt China (12%) vor Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. China und Indien sind mit dem Aufbau eigener Rüstungsindustrien dabei, ihre Abhängigkeit von vor allem russischen Systemen zu mindern. Die wichtigsten Kunden der USA sind Südkorea und Israel.

Die Wiederaufnahme der Rüstungskontrolle sei überfällig, meint Sipri-Direktor Bates Gill, und sieht durch den Antritt neuer Polit-Eliten in großen Militärmächten „neue Chancen“. Mehr Kontrolle sei speziell nötig bei A-Waffen: Sipri zählt 10.200 einsatzbereite Sprengköpfe und Lücken im System zur Nichtverbreitung von Atom-Material.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2008)

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