Merkel zu Iran: „Diplomatie eine Chance geben“

(c) AP (Pablo Martinez Monsivais)
  • Drucken

US-Präsident George W. Bush stimmt auf seiner Abschiedstour Iran-Politik mit der deutschen Kanzlerin ab.

MESEBERG. Sie sind eingezäunt wie Kühe auf der Weide. Die Bauern, die sich im brandenburgischen Heideland zu einer Demonstration eingefunden haben, recken am Gatter die rote Karte. Doch sie gilt nicht George W. Bush, der wenige Kilometer entfernt zu einer Fahrradtour aufgebrochen ist, sondern seiner Gastgeberin Angela Merkel.

Nicht einmal die schärfsten Kritiker des US-Präsidenten haben es noch der Mühe Wert gefunden, vor dem Gästehaus der deutschen Regierung in Meseberg gegen dessen Politik zu protestieren. Vor der malerischen Kulisse der von Theodor Fontane als „Zauberschloss“ beschriebenen Residenz, über die sich zur Mittagsstunde finstere Wolken zusammenbrauen, geht es nicht um Milchquoten, obwohl Bush explizit den deutschen Spargel lobt, den die Kanzlerin ihm am Vorabend aufgetischt hat.

Vielmehr geht es wieder einmal um die große Politik, um Iran, Irak und Afghanistan. Und Merkel gibt den Ton an. „Wir wollen der Diplomatie eine Chance geben“, erklärte sie zuversichtlich zum Dauerthema Iran: „Der Druck zeigt erste Wirkung.“ Zugleich bringt sie den UN-Sicherheitsrat ins Spiel – und damit China und Russland.

Die Kanzlerin setzt einen anderen Akzent als ihr Gast, der sich indes deutlicher nachdenklicher gibt als bei ähnlichen Anlässen. Nicht nur, dass er sich bei Merkel fast devot für deren Freundschaft bedankt, ist er auch über sein Bild für die Nachwelt besorgt.

Gegenüber dem Iran verfällt er in die zur Routine geronnene Drohgebärde: „Alle Optionen sind auf dem Tisch.“ Bereits bei seinem Besuch in Stralsund vor zwei Jahren hat er die Floskel strapaziert, und seither hat sich nicht viel geändert an der Iran-Politik des Westens. Erneut spricht er von weitergehenden Sanktionen. Wobei Merkel subtil anmerkt, es sei zunächst vordringlich, die schon bestehenden Sanktionen umzusetzen.

Anflug von Selbstkritik

Vom Nahen Osten über den Irak bis nach Afghanistan – überall will Bush einen Fortschritt erkennen. In einem „Times“-Interview bedauerte er in einem Anflug von Selbstkritik seine Kriegsrhetorik. Sonst hat er an seiner Politik nichts auszusetzen – im Gegensatz zu Merkel, wie sie durch die Blume anklingen lässt. Die Zusammenarbeit habe Spaß gemacht, betont sie: Bush habe nicht um den heißen Brei herumgeredet. Die Frage, ob sie ihn denn vermissen werde, ließ sie vieldeutig unbeantwortet.

Horst und Renate Strahl, zwei Meseberger Zaungäste, weinen Bush keine Träne nach: „Er ist nicht unser Freund.“ Eher schon sein Vater, unter dessen Amtszeit die Berliner Mauer fiel. Bush senior kommt übrigens am 4. Juli nach Berlin – zur Eröffnung der neuen US-Botschaft am Brandenburger Tor. Sein Sohn reiste weiter nach Rom – zu Freund Berlusconi.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.