UNHCR: „Zahl der Flüchtlinge wird weiter zunehmen“

(c) AP (Nic Bothma)
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UNHCR schlägt Alarm: 42 Millionen Menschen waren 2007 auf der Flucht. Die Ursachen dafür werden immer mannigfacher.

Wien/Genf. Bürgerkriege wie im Tschad und Sudan, repressive Militärregime à la Burma, ethnische und rassistische Hetzjagden wie heuer in Kenia oder Südafrika, der Kampf um immer knappere Ressourcen – mannigfaltig sind die Ursachen, die Menschen in die Flucht treiben: 42 Millionen betrug 2007 die Zahl jener, die wegen Krieg oder Gewalt in einem anderen Land Zuflucht gesucht hatten oder sich im eigenen Land als Binnenflüchtlinge über die Runden zu bringen versuchten. Dazu kamen 25 Millionen Binnenflüchtlinge durch Naturkatastrophen, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR hervorgeht.

Nach einer leichten „Erholung“ 2001 bis 2005 sind die Zahlen damit seit zwei Jahren wieder im Steigen begriffen: „Viele Ursachen bestehen weiter, und es kommen neue dazu, etwa Klimawandel und die sprunghaft gestiegenen Preise“, erklärt Roland Schönbauer, Leiter des UNHCR-Büros in Wien, im Gespräch mit der „Presse“. Und da die letztgenannten Faktoren längerfristig wirken werden, müsse man sich darauf einstellen, dass die Zahlen weiter steigen.

Letzte Hoffnung Drittland

Nach oben getrieben wurden sie 2007 vor allem auch durch den Irak, der alleine 2,4 Millionen Binnenvertriebene verzeichnete und rund zwei Millionen Menschen, die über die Landesgrenzen geflohen sind, vor allem nach Syrien und Jordanien. Zurück wagen sich wenige, dazu ist trotz einiger Fortschritte die Sicherheitslage noch viel zu schlecht, vor allem für Angehörige von Minderheiten: „Aus diesem Grund propagieren wir die Rückkehr in den Irak derzeit auch gar nicht“, sagt Schönbauer.

Sieht man sich die Statistik der Aufnahmeländer an, dann sticht auf Platz eins Pakistan hervor. Diese Flüchtlinge sind überwiegend Afghanen, und das Problem ist ähnlich gelagert wie im Irak, nur mit einem anderen Zeithorizont: Drei Viertel von ihnen haben ihre Heimat bereits in der Zeit der sowjetischen Okkupation 1979 bis 1989 verlassen.

Fehlt die Perspektive für eine Rückkehr gänzlich, und können die Flüchtlinge nicht im Gastland integriert werden, gibt es noch eine weitere Möglichkeit: Die Neuansiedlung in einem Drittland. Und das ist der positive Trend, den der UNHCR-Bericht enthält, denn auch diese Zahl steigt. 2007 konnte die Organisation für 75.300 Flüchtlinge eine neue Heimat finden. Alleine 48.300 davon nahmen die USA auf, tausende durften nach Kanada und Australien.

In Europa führen Schweden (1800) und Norwegen (1100) die Statistik an, „aber wir erwarten uns ein stärkeres Engagement der Europäer“, sagt Schönbauer.

Die größte Gruppe der Begünstigten ist aus Burma (20.200). Viele, die vor der Junta geflohen sind, leben in geschlossenen Camps in Thailand. Für sie ist die Neuansiedlung in einem Drittland der einzige Ausweg. Er wäre es auch für viele Iraker, denn ihre Lebensbedingungen in den Nachbarländern werden immer prekärer: Viele brachten zwar Ersparnisse mit, konnten sich in Damaskus etwa eine bescheidene Bleibe mieten. Doch die Vorräte gehen zur Neige. Und immer mehr Familien sehen sich zu Kinderarbeit und Prostitution gezwungen, um über die Runden zu kommen.

Sudan: Sechs Mio. Vertriebene

Ähnlich beunruhigende Tendenzen wie nun das UNHCR stellte kürzlich auch das „Internal Displacement Monitoring Center“ fest: 26 Mio. Binnenvertriebene alleine durch Konflikte und Gewalt registrierte man 2007, ein Plus von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr. Fast die Hälfte (12,7 Mio.) geht auf das Konto Afrikas. Denn viel schneller, als sich dort Konfliktherde schließen (etwa Angola), brechen neue auf. Allein im Sudan geht das UNHCR mittlerweile von sechs Mio. Binnenvertriebenen aus. Besserung ist nicht in Sicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2008)

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