Schweden jagt das unbekannte Unterwasser-Objekt

Swedish minesweeper HMS Koster patrols the waters of the Stockholm archipelago
Swedish minesweeper HMS Koster patrols the waters of the Stockholm archipelagoREUTERS
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Die Suchaktion des Militärs nach einem angeblichen russischen U-Boot in den Schären vor Stockholm wird immer mysteriöser. Aus Moskau hieß es, es habe sich um ein holländisches U-Boot gehandelt. Den Haag dementiert.

Das Mysterium um jenes Unterwasserobjekt, das vorigen Donnerstag und Freitag im sogenannten Schärengarten östlich von Stockholm Notsignale gefunkt und die größte Aktion des schwedischen Militärs seit dem Kalten Krieg ausgelöst hat, machte am Montag interessante Wendungen.

Nachdem das Objekt, das weiter verschwunden blieb, gerüchtehalber als russisches U-Boot bezeichnet worden war, hieß es am Montag aus Moskau, es handle sich um die HNLMS „Bruinvis“ – ein U-Boot der Niederländer. Es habe vorige Woche an Manövern vor Schweden teilgenommen und liege seit Freitag vor Tallinn (Estland); die Schweden möchten zur Klärung des Falls doch in Den Haag nachfragen, hieß es sarkastisch. Wenig später bestätigte Den Haag zwar, dass die Bruinvis („Schweinswal“), eines von vier dieselelektrischen Booten der Walrus-Klasse, seit einiger Zeit in der Ostsee sei – im Zuge des Manövers „Northern Archer“ zusammen mit Einheiten aus Schweden, Polen, Estland und Lettland. Allerdings sei das Boot (etwa 55 Insassen) bereits seit Donnerstag in estnischen Gewässern – und habe auch keine Notsignale abgesetzt.

Nur ein unscharfes Foto

Die Signale, die unter anderem Schwedens Militärgeheimdienst bemerkt hatte, waren nach Berichten von Medien und aus schwedischen Regierungskreisen zudem von einem Sender in Russlands Ostsee-Exklave Kaliningrad beantwortet worden und sollen „Hektik“ im russischen Militärfunk ausgelöst haben. Da Russlands Ostseeflotte in Kaliningrad ihr Hauptquartier hat, wird vermutet, dass das Unterwasserfahrzeug vor Stockholm aus Russland sein könnte.

Amateurfoto des unbekannten Unterwasser-Objekts in der Nähe von Stockholm
Amateurfoto des unbekannten Unterwasser-Objekts in der Nähe von StockholmREUTERS

Von dem Objekt gibt es trotz des Einsatzes zahlreicher schwedischer Kriegsschiffe, Schnellboote, Helikopter und Flugzeuge, der Freitag begonnen hatte, bis Montag nur drei vage Sichtungen. Auch hieß es, ein schwedisches Schiff habe am 2. Oktober ein unbekanntes Objekt unter Wasser gerammt, und zwar im jetzigen Suchbereich. Vielleicht war es das mysteriöse Gefährt, das dabei beschädigt wurde und dessen Insassen sich seither in den Schären versteckt halten.

Schwedens Marine zeigte am Sonntagabend ein unscharfes Foto: Es zeigt in einiger Distanz im Meer zwischen bewaldeten Schären so etwas wie den Turm oder Schnorchel eines U-Bootes, der Typ lässt sich nicht erkennen.

Falsche Informationen über Position

Das Militär hatte bei der Pressekonferenz wissentlich falsche Informationen über die Position gegeben. Die Streitkräfte räumten am Montagabend ein, dass das Foto an einem anderen Ort in den Schären aufgenommen wurde. Man habe die genaue Position nicht freigeben wollen, um dem Gegner keine Vorteile in die Hand zu geben, hieß es zur Erklärung auf der Webseite des Militärs. Das schwedische Fernsehen SVT versuchte am Montag, die Stelle zu finden und stellte fest, dass die Aufnahme an einem anderen Ort entstanden war. Als die Journalisten den Militärsprecher damit konfrontierten, gab er die Falschinformation zu.

Dass es ein großes Boot wie das der Holländer (Länge ca. 70 Meter, Durchmesser 8,5 Meter) oder ein vergleichbares der Russen sein könnte, ist zweifelhaft: Im Schärengarten, einer dichten Ansammlung von 30.000 Inseln in einer Zone bis zu 70 km östlich Stockholm, ist die Wassertiefe meist kleiner als 25 Meter, ja oft kaum 15 Meter, wenngleich es einige „Blasen“ mit um die 100 Meter gibt. Wie Sir John „Sandy“ Woodward, (mittlerweile verstorbener) Admiral der Royal Navy, einst der „Presse“ erklärte, sollte ein U-Boot aber zur Sicherheit bei auch nur halber Fahrt zwei Rumpfdurchmesser Abstand über Grund halten, bei Schleichfahrt könne es notfalls etwas weniger sein. In der seichten Schärenzone könnte es jedenfalls kaum fahren, ohne aufzufallen: Es müsste entweder teilweise aufgetaucht fahren, wäre aber auch getaucht oft zu sehen, schon wegen Wasserverwirbelungen bzw. Strömungsspuren an der Oberfläche.

Freilich könnte ein Mini-U-Boot dort operieren. Die Ausstattung der russischen Flotte oder des Geheimdienstes damit ist aber nicht sicher bekannt. Experten erwähnen neu aufgelegte Boote der früheren „Piranha“-Klasse, die aber doch fünf bis sechs Meter Durchmesser haben. Der schwedische Militärexperte Joakim von Braun brachte die „Triton NN“ ins Spiel, ein noch kleineres U-Boot, das auch halbgetaucht wie ein Schnellboot fahren könnte – sofern es bereits existiert, man weiß es nicht.

Seltsame Russen-Seemanöver

Klein-U-Boote brauchen, da ihre Reichweite mäßig ist, meist Mutterschiffe. Dazu passt die Beobachtung, wonach ein russischer Tanker, die NS „Concord“, seit Tagen unweit des Schärengartes „unschlüssig“ kreuzt, am Montag etwa 80 km östlich der Kernsuchzone, und sich dieser eher noch nähert. Das Schiff gehört der Firma Novoship, sie ist Teil des Staatskonzerns Sowcomflot, und dessen Chef, Sergei Frank, ein Freund von Präsident Wladimir Putin.
Zudem war am Montag die „Professor Logatschew“, ein russisches Forschungs- und Vermessungsschiff, von Sankt Petersburg aus kommend weiter mit Kurs auf den Stockholmer Schärengartens unterwegs. Sie hatte in den vergangenen Tagen zeitweise die fünf Schiffe der Holländer in der Ostsee inklusive des U-Boots Bruinvis beschattet und verfügt auch über Unterwasseraufklärungssysteme.

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