Libyen-Schweiz: Hotel-Prügelei wird zur Staatsaffäre

(c) AP (Abdel Magid Al Fergan)
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Nach der Festnahme eines Gadhafi-Sohnes in Genf stoppt Tripolis Öllieferungen, streicht internationale Flüge und nimmt Schweizer in Haft. Bern bleibt hart.

Bern.Die Staatsaffäre zwischen der Schweiz und Libyen gerät aus den Fugen. Auslöser war die vorübergehende Festnahme von Hannibal Gadhafi, Sohn des libyschen Revolutionsführers, nach einer Prügelei in einem Luxushotel in Genf. Am Donnerstag stoppte Libyen die Öllieferungen in die Schweiz und strich bis auf einen alle Flüge der Swiss International Air Lines nach Tripolis.

Bern, das ebenfalls einen harten Kurs beibehalten will, warnte Schweizer Bürger vor Reisen nach Libyen. Außenministerin Micheline Calmy-Rey brach ihren Urlaub wegen des Streits ab. Eine Delegation des Außenministeriums reiste nach Tripolis. Die Lage werde ernst genommen, heißt es in Bern. Von einer Krise will man indes nicht sprechen.

Der am Donnerstag verhängte Lieferstopp gilt für die Transporte der nationalen Gesellschaft Libyens. Andere Öltanker sind nicht betroffen. Schiffe aus der Schweiz dürfen jedoch bis auf weiteres nicht mehr in den Häfen Libyens anlegen und werden dort auch nicht mehr beladen. Für die Schweiz wird die Maßnahme des Revolutionsführers jedoch kaum zu einem Engpass bei Öl führen. Das Alpenland verfügt über Pflichtlager, die den Benzinverbrauch für vier Monate sichern.

Zwar stammt rund die Hälfte des in der Schweiz verwendeten Erdöls aus Libyen. Der Wüstenstaat lieferte im letzten Jahr 4,6 Millionen Tonnen der gesamten 11,6 Millionen Tonnen Rohöl und Fertigprodukte. Ein Sprecher der Schweizer Erdölvereinigung bezeichnete der Lieferstopp aber als ein „Eigentor Libyens“.

Hintergrund des bizarren Kräftemessens ist die vorübergehende Festnahme von Hannibal Gadhafi und seiner Frau Aline vergangene Woche in Genf. Die beiden sollen in einem Genfer Luxushotel zwei Angestellte – eine Tunesierin und einen Marokkaner – mehrfach beschimpft und geschlagen haben. Drei Mal rückte die Genfer Kantonspolizei aus. Letztlich konnte sie die Dienstboten aus der ungemütlichen Situation befreien.

Die Polizei, die mit einem Aufgebot von 20 bis 30 Mann vorgefahren war, verhaftete Hannibal und seine Frau – gegen den Widerstand von zwei Leibwächtern. Die Frau ist im neunten Monat schwanger und wurde in ein Spital gebracht. Der Untersuchungsrichter beschuldigt Hannibal der einfachen Körperverletzung, der Drohung und der Nötigung. Seine Frau soll an den Taten beteiligt gewesen sein. Das Ehepaar bestreitet alle Anschuldigungen. Gegen eine Kaution von 310.000 Euro wurde Hannibal freigelassen. Er reiste umgehend ab.

Beste Gefängniszelle

Das Vorgehen der Polizei erzürnte den libyschen Staatschef. Und der Familienclan reagierte: Mehrere Schweizer in Libyen, darunter Mitarbeiter von ABB und Nestlé, wurden am Samstag festgenommen. Weitere Schweizer Unternehmen wurden aufgefordert, ihre Büros zu schließen. Neue Maßnahmen drohen, falls die Schweiz nicht „innerhalb der nächsten Stunden“ den Fall zu den Akten legt. Die Regierung des Kantons Genf will allerdings hart bleiben. Sie betonte sogar, der Sohn des Machthabers habe eine „leicht bevorzugte“ Behandlung genossen. Er sei in der besten Gefängniszelle des Kantons untergebracht worden.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Gadhafi-Sohn zu Spannungen mit der Schweiz führt. Bereits vor zehn Jahren hatte Libyen eine Einreisesperre für Schweizer Staatsangehörige verhängt. Das Land reagierte damit auf die Verweigerung eines Visums für Gadhafis Sohn Saif, der an die Genfer Uni wollte. Saif studierte dann übrigens in Österreich, wo ihn der damalige FPÖ-Chef und jetzige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider unter seine Fittiche nahm.

Ihren damaligen Streit legten die Schweiz und Libyen dann relativ schnell bei. Wie lange es diesmal dauern wird, ist noch offen.

EINE SCHRECKLICH NETTE FAMILIE

Hannibal Gadhafi ist eines von acht Kindern des libyschen Staatschefs und nicht der einzige schwierige Fall der Familie. Bruder Mutasim wurde verdächtigt, an einem Putschversuch gegen seinen Vater beteiligt gewesen zu sein. Tochter Ayesha war eine der Anwältinnen von Saddam Hussein, und Sohn Saif glänzte durch exzessive Partys in Österreich. [EPA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2008)

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