EU-Stabilitätspakt: Frankreichs Budgetdesaster

EZB-Neubau in Frankfurt am Main
EZB-Neubau in Frankfurt am Main(c) APA/dpa/Boris Roessler (Boris Roessler)
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Paris will sich beim Defizitabbau nicht drängen lassen und fordert von Deutschland Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Euro.

Paris/Wien. Die Prioritäten der europäischen Krisenfeuerwehr verschieben sich: Nicht Griechenland, Italien oder Portugal hatte die Europäische Zentralbank (EZB) am gestrigen Montag im Visier, als sie den umstrittenen Ankauf von Anleihen und Kreditderivaten startete – sondern Frankreich. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg soll die EZB unter anderem Wertpapiere der französischen Großbanken Société Générale und BNP Paribas gekauft haben – ein eindeutiges Indiz dafür, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Union besonders dringend Hilfe benötigt.

Deutschland, das sich an vorderster Front gegen das EZB-Programm querlegt, soll Frankreich nun beim Sparen helfen. Und dies nicht nur mit Verständnis und Nachsicht, sondern auch mit einer Ankurbelung des Wachstums in Europa, wie man im Pariser ?lysée hofft. Außer einer Unterstützung bei den schwierigen Verhandlungen über die Haushaltspläne 2015–2017 in Brüssel wünscht die französische Regierung, dass Deutschland 50 Milliarden Euro Investitionen in die europäische Wirtschaft pumpt. Das entspricht exakt jener Summe, die Frankreich in drei Jahren bei seinen Ausgaben einsparen will.

Der Finanzminister Deutschlands, Wolfgang Schäuble (CDU), hatte ein Wachstum auf Pump bisher zwar stets abgelehnt. Beim gestrigen Treffen mit seinem französischen Amtskollegen, Michel Sapin, und den Wirtschaftsministern beider Länder, Emmanuel Macron und Sigmar Gabriel, dürfte es aber doch zu einer Annäherung gekommen sein: Bis Anfang Dezember wollen Berlin und Paris einen gemeinsamen Plan für verstärkte Investitionen vorlegen, hieß es. Die Ankündigung kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Regierung Frankreich zu einer raschen Sanierung seiner Finanzen drängt – und das mit gutem Grund: Die Pariser Haushaltspläne für 2015, die vergangene Woche in Brüssel zur Begutachtung vorgelegt wurden, verstoßen erneut gegen die Bestimmungen des EU-Stabilitätspakts. Die Regierung weiß, dass die Prüfer das Budget in der vorliegenden Form nicht durchgehen lassen können. Einmal mehr respektiert Frankreich die Vorgabe beim Defizitabbau und die eigenen, seit 2012 mehrfach wiederholten Versprechen nicht.

(C) DiePresse

Die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU stagniert derzeit fast, die Steuereinnahmen liegen weit unter dem erwarteten Niveau. Da ist es kein Wunder, dass in diesem Jahr das Haushaltsdefizit noch 4,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen wird; für 2015 und 2016 wird mit 4,3 und 3,8 Prozent nur wenig Besserung erwartet. Erst 2017 könnte der Wert unter die geforderten drei Prozent sinken (siehe Grafik). Den Vorwurf, Frankreich fehle es an Disziplin, will Sapin dennoch nicht gelten lassen: Mehr Anstrengungen seien derzeit eben weder möglich noch durchsetzbar, wiederholt er gebetsmühlenartig.

Kraftprobe mit Brüssel

Allein für 2015 sind Einsparungen in der für Frankreich nie da gewesenen Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro geplant. Einen Teil davon müssen die Regionen und Kommunen tragen, die vom Zentralstaat weniger Mittel erhalten. Heikel bis unerfüllbar ist im Etat hingegen der Wunsch, das Defizit der öffentlichen Sozialversicherungen abzubauen. Auch die Schmerzgrenze bei den Abgaben ist für die meisten Privathaushalte wie Unternehmen längst erreicht oder überschritten. Da ihr nach eigenem Bekunden also nichts anderes übrig bleibt, würde es die Pariser Regierung auf eine Kraftprobe mit Brüssel ankommen lassen. Die EU-Kommission wird den Entwurf nun bis 30. November prüfen.

Frankreich ist im Prinzip frei, allfällige Änderungswünsche zu berücksichtigen – oder auch nicht. Im äußersten Fall könnte es zu einem Defizitverfahren mit Strafandrohungen kommen. Das hält man aber selbst in Berlin für unwahrscheinlich: „Das kann man mit Frankreich nicht machen“, warnte ein deutscher EU-Diplomat laut „Spiegel“ – denn eine Zurückweisung des Haushaltsentwurfs würde auch nach Ansicht der deutschen Regierung „das deutsch-französische Verhältnis massiv belasten“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2014)

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