In Serbien entlädt sich die Wut auf Albaner

Prime Minister of Albania Edi Rama is interviewed by Reuters at the Kennedy School of Government at Harvard University in Cambridge
Prime Minister of Albania Edi Rama is interviewed by Reuters at the Kennedy School of Government at Harvard University in Cambridge(c) REUTERS (BRIAN SNYDER)
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Als Folge der Fußball-Randale wurden mehr als 30 Geschäftslokale albanischer Besitzer attackiert. An den „historischen“ Besuch des albanischen Premiers in Belgrad ist da nicht zu denken, er wurde verschoben.

Belgrad. Zumindest reden sie wieder miteinander. Tagelang hatten sich Serbiens Premier, Aleksandar Vučić, und sein albanischer Kollege, Edi Rama, nach dem abgebrochenen Fußballspiel ihrer Länder vergangene Woche im Twitter-Krieg beharkt. Serbien werde erst ein normales Land werden, wenn es verstehen werde, „dass ein Groß-Albanien sein Albtraum, aber nicht unser Projekt ist“, verkündete Rama. Groß-Albanien sei nicht nur der serbische Albtraum, sondern der „der Welt und der ganzen Menschheit“, giftete Vučić zurück. Sonntagabend griffen die beiden Streithähne schließlich auf starken Druck der EU zum Telefon, bekräftigten ihre Standpunkte – und verschoben ihr seit Wochen als historisch gepriesenes Treffen.

Eigentlich hätte Rama am Mittwoch als erster albanischer Premier seit fast 70 Jahren nach Belgrad reisen sollen, um die Entspannung zwischen den Ländern zu dokumentieren. Doch seitdem eine Drohne mit einer groß-albanischen Flagge im Schlepptau über dem Belgrader Partizan-Stadion ihre fatalen Bahnen zog, Platzsturm inklusive, scheinen die von Brüssel und Washington forcierten Annäherungsbestrebungen weit zurückgeworfen. Im Kosovo gingen serbische Flaggen, in Serbien albanische Bäckereien in Flammen auf. Mehr als 30 Backstuben und Imbissstuben albanischer Besitzer wurden in Serbien in den vergangenen Tagen angezündet oder verwüstet: In Subotica wurde am Wochenende sogar eine Moschee mit Molotowcocktails angegriffen. Die serbische Sonderpolizei hat deshalb am Montag in der Vojvodina-Hauptstadt Novi Sad den Schutz von Lokalen albanischer Eigentümern übernommen.

Ramas Belgrad-Reise soll nun am 10. November nachgeholt werden, zumindest ist das der Plan. „Wir dürfen die Chance nicht auslassen. Es ist an der Zeit, eine neue Seite in den Beziehungen zwischen Serbien und Albanien aufzuschlagen“, sagte der Premier.
In dieser Woche ist indes neuer bilateraler Fußball-Ärger zu erwarten: Spätestens wenn die Uefa am Donnerstag die Sanktionen für die beiden Fußballverbände verkündigt, könnten die von den Medien kräftig geschürten Emotionen wieder hochkochen – und neue Zwischenfälle sind zu befürchten.

Auch wenn es auf Druck der Staatengemeinschaft doch noch zu dem Treffen kommt, werde dieses nicht annähernd denselben Effekt haben wie vorab erhofft, fürchtet der Belgrader Politikprofessor Pedrag Simić: „Beide Seiten haben den Moment verpasst zu zeigen, dass die politischen Beziehungen in der Region in Richtung einer völligen Normalisierung gehen.“ Nachdem die Würdenträger beider Seiten erst kräftig Öl ins Entrüstungsfeuer gegossen hatten, scheinen sie aus Angst um ihre EU-Perspektiven nun zumindest bemüht, das von ihnen eifrig mitzerbrochene Porzellan notdürftig zu kitten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2014)

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